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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Benedikta, dachte Simon. Die Landsberger Bürgersfrau mochte nur ein paar Jahre älter sein, aber sie wirkte auf alle Fälle wesentlich reifer. Simon blickte nach vorne. Auch jetzt schien Benedikta Koppmeyer trotz des Todes ihres Bruders gefasst. Der Medicus konnte keine Gäste erkennen, die Verwandte von ihr hätten sein können. Vermutlich waren Benedikta und Andreas die einzigen Geschwister, und Kinder hatte die Bürgersfrau offenbar keine, jedenfalls hatte sie von keinen erzählt. Noch immer war Simon zugleich fasziniert und irritiert von dieser vornehmen Dame, die französisch parlierte und nur Minuten später einen Räuber kaltblütig über den Haufen schoss. Er fühlte sich von Benedikta gleichzeitig angezogen und abgestoßen. Der Schongauer Medicus seufzte, wohl wissend, dass diese Mischung fatale Konsequenzen haben konnte.
    Simon sah hinauf zum Großen Gott von Altenstadt, dervon seinem Holzkreuz gütig und allwissend auf die Gläubigen blickte. Auch er konnte dem Medicus bei seinen Problemen nicht helfen.
    »Wir wollen beten.«
    Die Aufforderung des Pfarrers riss Simon aus seinen Gedanken. Gemeinsam mit den anderen erhob er sich und betete das Vaterunser.
    »Pater noster, qui es in caelis, sanctificetur nomen tuum...«
    Als Pfarrer Elias Ziegler geendet hatte, richtete er seinen Blick hoch zum Großen Gott von Altenstadt. Er hob die Hände, als wollte er die Gemeinde segnen. Dann sprach er mit klarer Stimme weiter.
    Seine folgenden Worte rissen Simon fast um, nur mit Mühe klammerte er sich an der Lehne der Kirchenbank fest.
    »Das erfuhr ich unter den Menschen als der Wunder größtes, dass Erde nicht war, noch oben der Himmel, nicht Baum, noch Berg nicht war, nicht noch irgendetwas... «
    Die Stimme von Elias Ziegler hallte durch das Gewölbe der Basilika wie die eines Propheten. Es war das Rätsel aus der Krypta der Schlosskapelle.
     
    »Du verlangst was von mir?« Gerichtsschreiber Johann Lechner sah den Henker ungläubig an und ließ die Feder fallen, mit der er eben noch einige Dokumente unterzeichnen wollte. Seine Lippen waren ein schmaler ,blutleerer Strich im bleichen Gesicht, die Augen zuckten nervös hin und her. Der nicht enden wollende Papierkram, aber vor allem die wachsende Sorge um die Stadt hatten ihn in den letzten Nächten wenig schlafen lassen. Lechners Haut wirkte gelegentlich so durchsichtig wie zu oft beschriebenes Pergament, aber sein Wille und seine Durchsetzungskraft waren weit über die Grenzen von Schongau hinaus bekannt – und gefürchtet.
    Gemeinsam mit Jakob Kuisl und mit zwei Bütteln im Gefolge war er nach seinem Besuch in der Fronfeste zurückgeeiltzur herzoglichen Residenz. Der Schreiber war die ganze Zeit vorausgeschritten, die Wachen hatten Schwierigkeiten, ihm auf den Fersen zu bleiben.
    In seiner Schreibstube hatte Lechner dem Henker schließlich einen Platz zugewiesen und sich dann mit seinen Unterlagen beschäftigt. Erst nach einer Weile forderte er Kuisl auf, den Hintergrund seines Gesprächs mit dem Räuberhauptmann zu erklären. Als Jakob Kuisl ihn erläuterte, schwoll die kleine Ader auf Lechners bleicher Stirn zu einem roten Strang an.
    »Natürlich werden wir ein Exempel statuieren und den Scheller rädern. Etwas anderes kommt gar nicht in Frage!«, zischte er und fuhr fort, die Dokumente zu unterzeichnen. »Noch heute werde ich im Rat auf die baldige Hinrichtung drängen.«
    »Wenn Ihr das macht, werden wir nie erfahren, wo Scheller die Beute versteckt hat«, sagte Kuisl und holte seine Pfeife hervor.
    »Dann press es aus ihm heraus. Fang mit den Daumenschrauben an, streck ihn mit Mühlsteinen oder schieb ihm Schwefelhölzer unter die Nägel. Egal was, dir wird schon das Rechte einfallen.«
    Kuisl schüttelte den Kopf. »Der Scheller ist ein harter Hund. Gut möglich, dass der auch unter der Folter schweigt. Warum also Zeit und Geld vergeuden?«
    Der Schreiber funkelte den Henker böse an. »Was soll das schon für eine Beute sein?«, sagte er schließlich. »Ein paar Gulden und Heller, vielleicht ein verlauster Pelzmantel, wen schert das schon?«
    Kuisls Blick glitt beinahe gelangweilt durch den Raum, wo sich auf Tischen und in Regalen unerledigte Dokumente stapelten. Lechners Frühstück, ein Stück Weißbrot und ein Krug mit Wein, stand unangerührt auf einem Schemel. Endlich sprach der Henker weiter.
    »Es ist weit mehr als nur ein paar Gulden, vermut ich.Scheller hat nämlich eine andere Räuberbande ausgeplündert.«
    »Eine andere Räuberbande?«

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