Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
Henker war schon vor mir da! Wollen hoffen, dass du ihnen nicht bereits den Hals umgedreht hast.«
Jakob Kuisl seufzte. »Euer Exzellenz«, sagte er. »Ihr bekommt eine Erklärung, aber vielleicht gehen wir dafür ins Schloss. Es reicht ja schon aus, wenn sich die Marodeure den Arsch abfrieren.«
Die Glocken für die Beerdigung läuteten punkt zehn Uhr vormittags. Trotz der Kälte hatten sich viele Leute eingefunden, die von Pfarrer Andreas Koppmeyer Abschied nehmen wollten, darunter viele einfache Handwerker und Tagelöhner , für die der dicke, väterliche Pfaffe einer der ihren gewesen war. Weil die alte Lorenzkirche zurzeit renoviert wurde und ohnehin nicht für einen solchen Ansturm gewappnet schien, hatten die Altenstadter Bürger die Trauerfeier kurzerhand in die große Basilika verlegt.
Simon war einer der Letzten, der eintraf. Er hatte noch die halbe Nacht über dem Rätsel aus der Kapelle gebrütet und immer wieder in dem kleinen Brevier Wilhelm von Sellings geblättert, war aber nicht weitergekommen. Außerdem quälte ihn der Gedanke, dass Magdalena nach Augsburg gereist war, ohne sich von ihm zu verabschieden. Ob sie ihm jemals verzeihen würde? Warum war sie nur immer so sturköpfig!
Erst kurz vor dem ersten Hahnenschrei war er eingeschlafen, um nur wenige Stunden später von seinem Vater wieder geweckt zu werden, der ihm nur äußerst ungern wegen der Totenmesse freigab. Simon war in seine Hosen gesprungen,hatte den neuen Rock aus feinem Augsburger Tuch übergezogen und im Hinausgehen den kalten Kaffee vom vergangenen Abend direkt aus dem Topf getrunken.
Als er jetzt vorsichtig das Portal zur Basilika öffnete, hatte die Predigt bereits begonnen. Eiskalter Wind wehte von draußen herein und die Türflügel quietschten laut, so dass sich etliche Trauergäste vorwurfsvoll nach ihm umdrehten. Simon murmelte ein Wort der Entschuldigung, nahm seinen Hut vom Kopf und setzte sich rechts hinten in eine der Bänke, die für die Männer vorgesehen waren. Ganz vorne links konnte er Benedikta erkennen. Sie trug einen schwarzen, in lockere Falten gelegten Rock und darüber eine Schoßjacke, die ihr enggeschnürtes Mieder nur noch mehr zur Geltung brachte. Ihr rotes Haar war fast gänzlich unter einer schwarzen Haube verborgen, und sie schien noch blasser als sonst. Neben und hinter ihr saßen die gutsituierten Altenstadter Bürger. Simon erkannte den Wirt Franz Strasser, den Zimmermann Balthasar Hemerle, aber auch Matthias Sacher, der als reicher Müller für die Altenstadter im Schongauer Rat saß. Als der Medicus zu den mit rotem Stoff ausgeschlagenen Ehrenplätzen hinter dem Altar hinüberblickte, bemerkte er eine einzelne Gestalt. Es war der Steingadener Abt Augustin Bonenmayr, der dort aufrecht sitzend und mit geschlossenen Augen ein stilles Gebet murmelte. Als Vorgesetzter von Andreas Koppmeyer hatte er offenbar den weiten Weg nicht gescheut, um dem Altenstadter Pfarrer die letzte Ehre zu erweisen.
Vor dem Altar stand aufgebahrt der offene Sarg mit dem Toten. Es war so kalt in der Kirche, dass sich auf dem Gesicht Koppmeyers eine dünne Schicht Eis gebildet hatte.
Pfarrer Elias Ziegler hatte seine Predigt kurz unterbrochen, um den Spätankömmling mit einem strafenden Blick zu mustern. Jetzt fuhr er in seiner Rede fort. Seine Nase glühte rot wie ein reifer Apfel; Simon vermutete, dass er bereits heute früh zum Messwein gegriffen hatte.
»Andreas Koppmeyer war ein Mensch aus unserer Mitte«, sprach der Pfarrer in salbungsvollem Ton, »ein Bär von einem Mann, der die Sorgen und Ängste seiner Schäflein gut verstand, weil es auch seine eigenen Sorgen waren.«
Ein Wimmern war aus einer der hinteren Bänke zu hören. Simon blickte nach links und sah dort die dicke Pfarrhaushälterin Magda, die sich soeben lautstark in ein großes, schmutziges Taschentuch schnäuzte. Auch der dürre Mesner Abraham Gedler schien den Tränen nah. Seine Hände krallten sich um das Gotteslob, als wollte er Saft daraus pressen.
»Aber der Herrgott alleine weiß, wann unsere Stunde gekommen ist«, fuhr der Pfarrer fort. »Und so legen wir all unser Hoffen und Sehnen in den Schoß Gottes …«
Simons Gedanken schweiften ab. Er dachte an Magdalena und ihre Reise. Hoffentlich war ihr nichts zugestoßen. Auch auf dem Lech war man vor Marodeuren nicht sicher, vom Landweg zurück ganz zu schweigen. Ihr Vater hätte sie niemals gehen lassen dürfen! Sie war viel zu jung für so eine Reise, zu jung und zu naiv. Anders als
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