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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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schief auf den teils barhäuptigen Köpfen, die Gesichter waren rot vor Aufregung. Der eine oder andere hatte unter dem schweren Mantel aus gefärbter Wolle noch den Hausrock an. Am aufgeregtesten wirkten die Mitglieder des Inneren Rates, der auch die vier Bürgermeister stellte. In ihrer Mitte saß Matthias Holzhofer und schüttelte zum wiederholten Mal den Kopf, sein rundes, sonst so fröhliches Gesicht war blass und eingefallen. Tiefe Ringe hatten sich ihm unter die Augen gegraben.
    »Meine wertvollste Fuhre!«, rief er und schlug mit der Faust auf den polierten Eichentisch. »An die tausend Gulden! Tücher, Barchent, Silberbesteck, von den Gewürzen will ich gar nicht reden! Wie kann das sein? Verdammt, ich dachte, der Henker hat diese verfluchte Räuberbande ausgeräuchert!«
    Die Ratsmitglieder murrten, und Johann Lechner ermahnte sie zu schweigen, indem er mit seinem Siegelring gegen ein gefülltes Portweinglas klopfte. »Meine Herren, ich habe den Rat einbestellt, um allen hier eine wichtige Neuigkeit mitzuteilen. Silentium!« Er schlug mit der Hand auf den Tisch. »Ruhe, Herrgott noch einmal!« Sofort hörte das Tuscheln auf, die Augen aller waren jetzt auf den Schreiber gerichtet. Als Stellvertreter des Kurfürsten in Abwesenheit des Pflegverwalters hätte Lechner im städtischen Rathaus zwar nichts verloren gehabt. Trotzdem hatte es sich so ergeben, dass er mittlerweile die Sitzungen leitete. In den Zeiten des Großen Krieges war man froh gewesen um eine starke Hand, und seitdem hatte es keinen Grund gegeben, das Bewährte wieder zu ändern.
    »Eigentlich wollte ich diese Ratsversammlung einberufen, um Euch mitzuteilen, dass die Räuberbande endlich gefasst ist und der Warentransport weitergehen kann«, sagte der Schreiber, als endlich wieder Stille eingekehrt war. »Der Henkerund auch viele ehrenwerte Bürger der Stadt haben ganze Arbeit geleistet«
    »Ganze Arbeit, das kann man wohl sagen«, murmelte der Patrizier Jakob Schreevogl. »In Blut gewatet sind die ehrenwerten Bürger!«
    Doch keiner achtete auf ihn, alle Augen waren auf den Schreiber gerichtet, der mit ernster Miene weitersprach. »Die Sache stellt sich nun anders dar. So leid’s mir tut, es scheint noch eine zweite Räuberbande zu geben. Der Scharfrichter hat den arretierten Räuberhauptmann Scheller bereits dazu befragt.«
    Sofort setzte wieder Gemurmel ein. »Hoffentlich hat der Kuisl den Galgenvogel das glühende Eisen spüren lassen!«, meldete sich Michael Berchtholdt zu Wort, der als Bäcker im Äußeren Rat saß. »Jeden Knochen einzeln soll er ihm brechen!«
    »Nun, der Henker hat seine ... eigenen Mittel angewandt«, sagte Lechner. Auf dem Gesicht Michael Berchtholdts, aber auch auf dem einiger anderer Ratsmitglieder zeigte sich ein Ausdruck von Befriedigung. Es war gut, einen wie Jakob Kuisl zu haben, der die Drecksarbeit erledigte.
    »Eine zweite Räuberbande!«, jammerte Matthias Holzhofer. »Hat denn dieses Rauben nie ein Ende?«
    »Meister Holzhofer, verzeiht mir die Frage«, mischte sich nun der junge Jakob Schreevogl ein. Als Besitzer von Schongaus größter Hafnerei saß er erst seit kurzem im Inneren Rat. »Ist es nicht mehr als riskant, in solch unruhigen Zeiten eine derartig wertvolle Fuhre nach Füssen zu schicken? Ob nun eine oder mehrere Räuberbanden, Ihr fordert das Unglück ja geradezu heraus!«
    Matthias Holzhofer zuckte mit den Schultern. »Es hieß, die Scheller-Bande sei gefangen, und nebenbei, wer jetzt seine Wagen losschickt, erzielt die besten Preise.« Er grinste und zwirbelte sich den gestutzten Knebelbart. »Die Konkurrenz ist nicht besonders groß bei der Saukälte. Außerdem ... « Erzögerte, bevor er weiterredete. »Wir sind über die kleinen Dörfer gefahren. Das dauert zwar länger, dafür meidet man die großen Straßen, wo sich die Halsabschneider gern im Gehölz verstecken. Wer konnte schon ahnen, dass auch dort ... « Er brach ab und schüttelte den Kopf.
    Gerichtsschreiber Johann Lechner räusperte sich, bevor er wieder das Wort ergriff. »Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass eine Bande abseits der Hauptstraße zuschlägt«, begann er. »Der Augsburger Händler Leonhard Weyer , der vor ein paar Tagen den Marodeuren zum Opfer fiel, hatte den gleichen Plan. Zufällig war ich am Abend zuvor im Semer-Wirt, als er mir davon erzählte, dass er auf der alten Weidenstraße nach Füssen wollte.«
    Bürgermeister Karl Semer, dem das Wirtshaus am Marktplatz gehörte, unterbrach ihn. Er atmete schwer

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