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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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konnteMagdalena endlich zur Apotheke gehen. Auf dem Weg dorthin passierte sie den gewaltigen Augustusbrunnen, an dem nun meterlange Eiszapfen hingen. Zu ihrer Linken thronte das vierstöckige Rathaus. Magdalena blickte daran empor und erschauerte. Wie konnten Menschen nur so riesige Gebäude errichten? Aus dem Eingangstor des Rathauses strömten dickvermummte Patrizier mit Pelzmänteln, vertieft in ernste Gespräche. Noch immer lag der Schnee kniehoch, doch die städtischen Wachen hatten auf dem Rathausplatz und in den umgebenden Straßen bereits begonnen, mit Schaufeln schmale Gassen frei zu räumen. Aus den Häusern und Geschäften drängte das Leben. Zwei Tage waren die Menschen eingesperrt gewesen, jetzt konnten sie wieder ihren Besorgungen nachgehen; sie kauften frisches Brot und Fleisch oder holten sich beim Wirt eine Kanne schäumendes, braunes Bier. Magdalena bahnte sich ihren Weg zwischen schimpfenden Köchinnen, die für ihre Herrschaften noch einen Hasen oder Fasan besorgen mussten, und einer Gruppe lärmender Chorknaben auf dem Weg zum Augsburger Dom.
    Endlich hatte sie ihr Ziel erreicht. Vorne an der Ecke zwischen der Maximilianstraße und der prächtigen St.-Moritz-Kirche befand sich die Marienapotheke, die älteste Apotheke Augsburgs. Philipp Hartmann hatte Magdalena am Morgen noch erzählt, dass der Besitzer Nepomuk Biermann die am besten sortierte Auswahl an Kräutern und Ingredienzien in der Stadt habe und außerdem eng mit ihm zusammenarbeite. Der Scharfrichter kaufte bei ihm das eine oder andere Mittelchen, das er nicht selbst herstellen konnte, dafür bezog Nepomuk Biermann von ihm Menschenfett und Menschenleder gegen Gelenkschmerzen und Verspannungen.
    »Er ist zwar ein bisschen seltsam, dieser Biermann«, hatte Philipp Hartmann gesagt. »Aber er kennt sich wirklich aus, und er versucht dich nicht über den Tisch zu ziehen. Sieh zu, dass du die Kräuterkammer zu sehen bekommst, die ist wirklich gewaltig.«
    Das Haus von Nepomuk Biermann war ein schmaler, dreistöckiger Giebelbau, der einen neuen Anstrich gebraucht hätte und zwischen all den Patrizierhäusern wie ein vernachlässigtes Stiefkind wirkte. Magdalena zog eine schmale, aber solide Tür auf, über der in geschwungenen Lettern der Name der Apotheke geschrieben war. Sofort hüllte sie eine Duftwolke von getrockneten Kräutern und exotischen Gerüchen ein, die sie an den eigenen Apothekerschrank zu Hause in der Kammer erinnerten. Die Henkerstochter schloss die Augen und sog die fremdartigen Aromen ein. Hinter vielen dieser Düfte steckten Pflanzen und Gewürze, die von weit her über das Meer gekommen waren, aus einer anderen Welt, aus Urwäldern mit Löwen und anderen Ungeheuern, von fernen Inseln, bevölkert mit Kopffüßlern und Menschenfressern. Es roch nach Zimt, Muskat und schwarzem Pfeffer.
    Als Magdalena die Apothekentür hinter sich zuschlug, ertönte eine feine Klingel, und nur wenig später tauchte ein kleiner gebeugter Mann auf. Er hatte einen Haarkranz wie ein Mönch und ein Okular auf der Nase, durch das er die Henkerstochter missmutig anstarrte. Er schien gerade mit etwas Wichtigerem beschäftigt gewesen zu sein als mit dem niederen Dienst des Verkaufs.
    »Ja?«, fragte er und musterte sie wie ein lästiges Insekt. »Womit kann ich dienen?«
    »Mich schickt Philipp Hartmann«, sagte Magdalena. »Ich soll ein paar Kräuter abholen.«
    Sofort änderte sich der Gesichtsausdruck des Männchens. Sein zahnloser Mund verzog sich zu einem Grinsen. »Der Hartmann, hä? Hat der Augsburger Henker nun doch noch ein Weibsbild abgekriegt.«
    »Ich ... helfe ihm zurzeit aus«, stammelte Magdalena und reichte Nepomuk Biermann die Liste mit den Ingredienzien.
    Der Apotheker klemmte sich das Okular unter die Nase und begann, das Pergament zu studieren. »So, so«, brummte er. »Mutterkorn und Artemesia, außerdem Seidelbast, Tollkirscheund Stechapfel. Was hast du vor? Willst du den Henker ins Jenseits befördern oder mit dem Besen davonreiten?«
    »Ich ... ich … « Magdalena rang nach Worten. »Eine schwere Geburt steht an«, sagte sie schließlich. »Das Kind will nicht kommen, und die Mutter hat schwere Schmerzen.«
    »So, so, schwere Schmerzen«, sagte Nepomuk Biermann und hielt das Glas wieder vor die Augen. »Dann pass nur auf, dass du ihr nicht zu viele der Kräutlein auf einmal verabreichst, sonst hat die gute Frau bald gar keine Schmerzen mehr. Nie mehr.« Er grinste und zwinkerte mit dem rechten Auge, das hinter dem Okular wie das

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