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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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möglich war, ernster. Eigentlich war er sich jetzt schon sicher, dass er tödlich ausgehen würde.
    »Herr Doktor, was hat er?«, jammerte Agathe Steingadener. »War es das Essen? Unser Brot ist nicht das beste, ich weiß. Wir backen gemahlene Eicheln mit ein, weil’s alle Tag an Mehl fehlt. Aber diese Schmerzen ... Was hat er nur?«
    »Wie lange geht das schon?«, fragte Bonifaz Fronwieser, während er die Augen von Anton Steingadener mit einer geschliffenen Linse näher untersuchte. Sie waren geweitet und glasig, der Mann war vor Schmerzen nicht mehr ganz bei Sinnen.
    »Seit... seit drei Tagen, glaub ich«, sagte Agathe Steingadener. »Könnt ihr ihm nicht helfen?«
    Bonifaz Fronwieser trat einen Schritt zurück und überließ es seinem Sohn, die Bauchdecke noch einmal abzutasten. Sie war knochenhart, mit einer Schwellung oberhalb des Beckens. Simon drückte nur leicht darauf, und der Mann schrie erneut auf, als würde er gepfählt.
    »Mein Gott, was hat er? Was hat er nur?« Die Hand von Agathe Steingadener krallte sich um den Rosenkranz. »Ist es der Teufel, der in ihn eingefahren ist? So wie beim Altenstadter Pfarrer?« Sie fing zu weinen an. »Heilige Jungfrau Maria! Der Teufel fährt in die armen Seelen und macht nicht mal vor Pfarrern und frommen Bürgern halt! Jeden dritten Tag ist mein Mann in der Mess gewesen, wie oft haben wir zu Hause gemeinsam gebetet ...«
    »Dein Mann hat ein Geschwulst im Leib«, unterbrach Simon ihre Litanei. »Mit dem Teufel hat das nichts zu tun. Aber Beten kann nicht schaden.«
    Er verschwieg der Frau, dass Beten vermutlich das Einzige war ,was ihren Gatten noch retten konnte. Simon wusste, dass man in den großen Universitäten solche Geschwulste manchmal entfernen konnte. Aber hier in Schongau hatten sie weder das Wissen noch die Mittel, eine derartig komplizierte Operation durchzuführen. Simon fluchte, während er in den Regalen im Apothekerschrank nach dem Mohnsaft suchte und dabei ein paar kleinere Phiolen umstieß. Sie würden dem Mann nur einen Teil der Schmerzen nehmen können; ein langsames Dahindämmern, das war alles, was sie garantieren konnten. Für den Rest musste der liebe Herrgott sorgen.
    Endlich hatte Simon die Flasche mit dem Mohnsaft gefunden, als er hinter sich plötzlich eine Bewegung ausmachte. Die Finger des Vaters schlossen sich um sein Handgelenk.
    »Bist du wahnsinnig?«, zischte ihm Bonifaz Fronwieser ins Ohr, so dass es die Frau des Fuhrmannes nicht hören konnte. »Weißt du, wie teuer dieses Mittel ist? Das wird die Steingadenerin niemals bezahlen können!«
    »Sollen wir ihren Mann vielleicht wie ein Stück Vieh verrecken lassen?«, flüsterte Simon zurück. »Er hat große Schmerzen. Wir müssen ihm helfen!«
    »Dann schick ihn doch zum Henker«, sagte sein Vater immer noch leise. »Der wird ihm eines seiner Tränklein geben, dann ist er ohnehin hinüber! Wird Zeit, dass der Lechner diesem Quacksalber endlich das Kurieren verbietet, bevor er mit seinen Kräutersäften noch die halbe Stadt vergiftet.«
    »Die halbe Stadt ist jedenfalls schon bei ihm gewesen. Davon kannst du nur träumen!«, entgegnete Simon, mittlerweile mit lauterer Stimme.
    Er entriss seinem Vater die Flasche mit Mohnsaft und reichte sie der Steingadenerin.
    »Hier, gib deinem Mann jeden Tag zwei Löffel davon, in einem Glas Wein«, sagte er in beruhigendem Ton. »Der Trank wird das Geschwulst nicht wegmachen, aber wenigstens werden die Schmerzen erträglicher sein.«
    »Wird er wieder gesund?«, fragte die Frau ängstlich und sah auf ihren Gatten hinunter. Josef Steingadener schien vor Erschöpfung eingeschlafen zu sein; er zitterte und warf sich hin und her, ansonsten war er ruhig.
    Simon zuckte mit den Schultern. »Das weiß nur der liebe Herrgott. Wir werden dir jetzt helfen, ihn heimzubringen.«
    Bonifaz Fronwieser schaute seinen Sohn immer noch feindselig an. Trotzdem half er ihm dabei, den schweren Fuhrmann durch die Tür zu schleppen und auf das Fuhrwerk zu hieven. Agathe Steingadener gab ihnen ein paar Münzen, dann setzte sie sich auf den Kutschbock und fuhr los. Die Frau des Fuhrmanns winkte nicht zum Abschied. Vermutlich dachte sie bereits darüber nach, wie sie ohne ihren Gatten über die Runden kommen würde.
    Simon und sein Vater hatten an diesem Tag noch drei weitere Patienten, die alle wegen des Fiebers zu ihnen gekommen waren. Es waren gutbetuchte Bürger, und Bonifaz Fronwieser verschrieb ihnen Theriak, ein sündhaft teures Zaubermittel aus Mohnsaft und

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