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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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unter seinem roten Samtrock, die Augen traten ihm vor Aufregung hervor. »O Gott, auch zwei meiner Fuhrleute haben mir in den letzten Tagen erzählt, dass sie eine andere Route als sonst üblich nehmen wollten«, keuchte er. »Wenigstens einer von ihnen ist uns als vermisst gemeldet. Von dem anderen hab ich bislang noch nichts gehört ... « Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und nahm einen tiefen Schluck Portwein. Obwohl es draußen bitterkalt war, herrschte in der Ratsstube neben dem gewaltigen grünen Kachelofen eine fast unerträgliche Hitze.
    In den hinteren Reihen, wo die Mitglieder des Äußeren Rats und die einfachen Gemeindemitglieder saßen, erhob sich jetzt aufgeregtes Gemurmel. Fast jeder von ihnen hatte in den letzten Tagen und Wochen Fuhrleute mit Waren in andere bayerische Städte geschickt. Wer nicht die Route über den Fluss nehmen konnte, der war auf die Schongauer Rottleute angewiesen, die sich mit den Augsburgern seit jeher einen erbitterten Konkurrenzkampf lieferten. Was, wenn auch noch weitere Fuhrwerke überfallen worden waren?
    »Einen Augenblick!«, erhob Jakob Schreevogl jetzt seineStimme. »Wenn ich das recht verstehe, haben all diese Fuhrleute sich für eine ungewöhnliche Route entschieden. Trotzdem sind sie überfallen worden. Das bedeutet entweder, dass zurzeit an allen Straßen Wegelagerer sitzen, was ich bezweifele, oder aber ... « Sein Blick glitt über die Mitglieder des Rates. »Irgendjemand hat im Vorfeld die Routen ausspioniert und die Marodeure gezielt dort hingeschickt.«
    »Wer sollte das sein?«, unterbrach ihn Matthias Holzhofer. »Meine Männer haben sich nur mit mir abgesprochen.«
    »Und meine auch«, meldete sich Bürgermeister Semer zu Wort. »Und diesen Augsburger Weyer , den kannte hier doch keiner. Wem soll der schon was gesagt haben?«
    »Vielleicht sind’s ja die Augsburger selbst gewesen, die unsere Leute abgestochen haben!«, rief der Bäcker Michael Berchtholdt von hinten in die Runde. »Denen sind unsere Rottleute doch schon lange ein Dorn im Auge. Wenn’s nach denen ginge, dann würden nur sie selbst auf unseren Straßen die Waren aus Venedig und sonstwoher transportieren!«
    »Unsinn«, erwiderte Jakob Schreevogl. »Der Weyer war doch selbst ein Augsburger. Die bringen doch nicht ihre eigenen Leute um.«
    Berchtholdt zuckte mit den Schultern. »Vielleicht war er ein Abweichler, wer weiß? Einer, mit dem andere Augsburger noch eine Rechnung offen hatten? Verdammtes Schwabenpack! « Es erhob sich beifälliges Gemurmel.
    Gerichtsschreiber Johann Lechner klopfte wieder mit dem Siegelring gegen sein Weinglas.
    »Ruhe! So kommen wir nicht weiter!«, rief er. »Wir können nur hoffen, dass die beiden verletzten Fuhrleute uns Auskunft geben können über die Wegelagerer. Vielleicht erfahren wir so, wer dahintersteckt.« Er sah jedes Ratsmitglied einzeln prüfend an, bevor er weiter fortfuhr: »Unser aller Anliegen muss doch sein, auch dieser anderen Räuberbande das Handwerk zu legen. Ich schlage deshalb vor, denHenker noch einmal mit einem Trupp Männer loszuschicken.«
    »Noch einmal den Henker als Anführer ehrenwerter Männer?« Bürgermeister Semer schüttelte ungläubig den Kopf. »Mein Sohn hat mir von der Hatz erzählt. Es ist ein Unding, dass ein Scharfrichter braven Bürgern anschafft. Verbrecher jagen und hinrichten, das ist Sache von Henkern, Bütteln und Gerichtsdienern. Wenn man in München oder Landshut davon Wind bekommt, sind die Teilnehmer einer solchen Jagd schnell ihre Bürgerrechte los ...«
    »Sie sind ihre Bürgerrechte los, wenn sie entgegen anders lautender Anweisungen ein Gemetzel anrichten und die Bande samt Frauen und Kindern über den Haufen schießen«, unterbrach ihn Jakob Schreevogl. »Euer Sohn und der Filius vom Berchtholdt haben Blut gesoffen, so viel sieht der Henker in seinem ganzen Leben nicht!«
    »Eine dreiste Unterstellung!«, schrie Berchtholdt. »Mein Sohn hat Schlimmeres verhindert. Der Scheller und seine Bluthunde waren drauf und dran, den Unseren die Gurgel durchzuschneiden!«
    »Ruhe, Himmelherrgott noch einmal!«, rief Johann Lechner lauter als gewohnt. Sofort kehrte Stille ein; es war selten, dass der Schreiber die Contenance verlor. Schon nach wenigen Augenblicken hatte er sich jedoch wieder gefangen. Er atmete tief durch.
    »Zwist und Händel bringen uns nicht weiter«, sagte er schließlich. »Ich werde den Henker ein weiteres Mal losschicken. Er hat gezeigt, dass er etwas von seinem Handwerk versteht.

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