Die Henkerstochter
drückte, massierte und knetete sie. Auf dem Kopf trug er einen breitkrempigen Hut mit ein paar bunten Hahnenfedern, seine Kleidung bestand aus einem blutroten Wams, einem schwarzen Mantel und zwei hüfthohen, abgewetzten Lederstiefeln. Sein Bart war im Gegensatz zu den Bärten der anderen sorgfältig gestutzt, so dass darüber ein blasses Gesicht mit einer Hakennase und einer langen Narbe zu sehen war. Er war groß gewachsen, aber drahtig und muskulös.
Endlich war er mit seiner Hand zufrieden, lächelnd hielt er sie in die Höhe, so dass sie im Schein des Feuers weiß aufleuchtete. Vom Ellbogen bis zu den Fingerspitzen war sie aus Knochen gefertigt, einzelne Teile, die mehrfach durchbohrt und mit Kupferdrähten verbunden worden waren. Sie sah aus wie die Hand eines Toten. Jetzt erst sah der Teufel zu seinen Kumpanen hinüber.
»Was hast du gesagt?«, fragte er mit leiser Stimme.
Der Soldat am Feuer schluckte. Trotzdem sprach er weiter. »Ich hab gesagt, dass wir unseren Teil erfüllt haben; du wolltest die kleinen Bälger ja unbedingt alleine totmachen. Jetzt laufen sie noch immer frei herum, und wir warten auf unser Geld ... « Vorsichtig sah er den Mann mit der Knochenhand an.
»Drei sind tot«, flüsterte der Teufel. »Die zwei anderen sind irgendwo hier in der Gegend. Hier im Wald. Ich find sie schon noch.«
»Ja, wenn’s Herbst wird«, lachte der Dritte am Feuerund zog vorsichtig die Hasen vom Spieß. »Aber so lange bleib ich nicht mehr hier. Ich geh, und zwar morgen schon. Mir langt mein Anteil, und du, du langst mir schon lang!« Er spuckte in Richtung des Baumes.
Innerhalb eines Augenzwinkerns war der Teufel bei dem Mann angelangt und hatte ihm den Bratspieß entrissen. Er hielt das Eisen dem Söldner direkt unter die Kehle, sein Gesicht nur wenige Zentimeter von dem des anderen entfernt. Als der Söldner schlucken musste, berührte sein Kehlkopf die glühend heiße Spitze des Spießes. Er schrie laut auf, ein dünner Blutfaden rann an seinem Hals hinunter.
»Ihr blöden Rindviecher!«, zischte der Teufel, ohne den Spieß auch nur einen Millimeter zu entfernen »Wer hat euch denn den Auftrag verschafft, hä? Wer hat euch bislang immer mit Fressen und Saufen versorgt? Ohne mich wärt ihr doch schon längst verhungert oder würdet irgendwo an einem Ast baumeln. Ich krieg die kleinen Kröten schon noch, keine Sorge, und so lang bleiben wir hier! Schad wär’s ums Geld!«
»Lass den André los, Braunschweiger!« Der zweite Mann am Feuer war langsam aufgestanden. Er war groß und breitschultrig, eine Narbe zog sich quer über sein Gesicht. Mit gezogenem Säbel zielte er in Richtung des Teufels. Nur wer genau hinsah, konnte die Angst in seinen Augen erkennen. Ein leichtes Zittern ging durch seine Schwerthand.
»Wir sind lange genug hinter dir hergelaufen«, zischte er. »Deine Grausamkeiten, dein Blutdurst, deine Quälereien, sie widern mich an! Du hättest den Jungen nicht töten sollen, jetzt ist die ganze Stadt hinter uns her! «
Der Teufel, den sie den Braunschweiger nannten, zuckte mit den Schultern. »Er hat uns belauscht, genauso wie dieanderen. Er hätte uns verraten, und dann wär das schöne Geld perdu gewesen. Außerdem ...« Er lächelte breit. »Die suchen uns doch gar nicht, die denken, eine Hex hätt’ die Kinderlein kaltgemacht. Morgen schon brennt sie vielleicht. Also, Hans, nimm den Säbel runter. Wir wollen uns doch nicht streiten.«
»Erst nimmst du den Spieß vom André weg«, flüsterte der Mann, der Hans hieß. Keine Sekunde ließ der muskulöse Söldner den kleiner gewachsenen Mann aus den Augen. Er wusste, wie gefährlich der Braunschweiger trotz seiner eher unscheinbaren Körpergröße war. Wahrscheinlich konnte er sie alle drei hier auf der Lichtung aufschlitzen, bevor sie ihm auch nur einen Hieb zugefügt hatten.
Der Teufel senkte lächelnd den Spieß. »Fein«, sagte er. »Dann kann ich euch jetzt endlich von meinem Fund erzählen.«
»Fund? Welcher Fund«, fragte der dritte Mann, der bislang abwartend im Moos gelegen hatte. Er hieß Christoph Holzapfel und war wie die anderen drei Männer ein ehemaliger Soldat. Seit fast zwei Jahren waren sie jetzt schon gemeinsam auf Wanderschaft. An ihren letzten Sold konnten sie sich kaum noch erinnern. Seitdem lebten sie vom Morden, Rauben und Brandschatzen, immer auf der Flucht, nicht besser als wilde Tiere. Aber tief in ihrem Innersten glomm noch immer ein Fünkchen von Anstand, etwas, das übrig geblieben war von den
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