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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Gutenachtgeschichten, die ihnen die Mutter früher erzählt, und den Gebeten, die ihnen der Dorfpfarrer eingebläut hatte. Und alle spürten sie, dass dieser Funke in dem Mann, den sie den Braunschweiger nannten, fehlte. Er war kalt wie die Knochenhand, die man ihm nach einer Amputation hatte anfertigen lassen. Eine nützliche Prothese, auch wenn sie nicht als Waffenhand taugte. Sie verbreitete Angst undSchrecken, und das war es, was der Braunschweiger am meisten liebte.
    »Von welchem Fund redest du?«, fragte Christoph Holzapfel noch einmal.
    Der Teufel lächelte. Er wusste, dass er jetzt wieder die Oberhand hatte. Genüsslich ließ er sich im Moos nieder, riss sich eine Hasenkeule ab und berichtete, während er immer wieder von der Keule abbiss. »Ich hab den Pfeffersack verfolgt, wollte wissen, was es mit der Baustelle auf sich hat. Er war gestern Nacht noch einmal da, und ich auch ...« Er wischte sich das Fett von den Lippen.
    »Und?«, fragte André ungeduldig nach.
    »Er sucht da etwas. Irgendwas muss dort versteckt sein.« »Ein Schatz?«
    Der Teufel zuckte mit den Schultern. »Schon möglich. Aber ihr wollt ja weg. Such ich halt alleine.«
    Der Söldner Hans Hohenleitner grinste. »Braunschweiger , du bist der größte Blutsäufer und Sauhund, den ich je kennen gelernt habe. Aber wenigstens bist ein schlauer Sauhund ... «
    Ein Geräusch ließ sie herumfahren. Das Knacken von Zweigen, leise zwar, aber nicht leise genug für vier erfahrene Söldner. Der Braunschweiger gab ihnen ein Zeichen zu schweigen, dann glitt er ins Gebüsch hinein. Nur kurze Zeit später ertönte ein Schrei. Äste brachen, Ächzen und Keuchen war zu hören, dann zog der Teufel ein zappelndes Bündel auf die Lichtung. Als er das Bündel neben das Feuer warf, sahen die Söldner, dass es der Mann war, der ihnen den Auftrag erteilt hatte.
    »Ich wollte zu euch«, stöhnte er. »Was fällt euch ein, mich so zuzurichten?«
    »Was schleichst dich dann an, Pfeffersack?«, murrte Christoph.
    »Ich ... ich hab mich nicht angeschlichen. Ich muss mit euch reden. Ich brauche eure Hilfe. Ihr müsst mir helfen, etwas zu suchen. Noch heute Nacht. Allein schaffe ich es nicht.«
    Eine Zeit lang herrschte Schweigen.
    »Wir teilen?«, fragte der Braunschweiger schließlich. »Die Hälfte für euch, mein Wort.«
    Dann erzählte er ihnen in kurzen Worten, was er vorhatte.
    Die Söldner nickten. Ihr Anführer hatte mal wieder recht gehabt. Sie würden ihm folgen. Über das Teilen konnte man später noch reden.
     
    Martha Stechlin tauchte aus ihrer Ohnmacht auf, und der Schmerz traf sie wie ein Schlag. Sie hatten ihr sämtliche Finger gequetscht und schließlich noch Schwefelhölzchen unter die Fingernägel gesteckt. Die Hebamme hatte ihr eigenes verbranntes Fleisch gerochen. Aber sie hatte geschwiegen. Immer wieder hatte der Lechner sie gefragt und sämtliche Fragen wortgetreu in seinem Protokoll vermerkt.
    Hat sie den Buben Peter Grimmer, den Anton Kratz und den Johannes Strasser totgemacht? Hat sie das Teufelszeichen in die Haut der unschuldigen Kinderlein geritzt? Hat sie den Stadl abgebrannt? Hat sie an Hexentänzen teilgenommen und auch andere Frauen dem Teufel zugeführt? Hat sie dem Bäcker Berchtholdt sein Kalb totgehext?
    Immer wieder hatte sie mit Nein geantwortet. Auch als Jakob Kuisl ihr die Beinschrauben angelegt hatte, war sie stark geblieben. Am Ende, als die Zeugen sich mit einer Karaffe Wein kurz zur Beratung zurückgezogen hatten, war der Henker ganz nah an ihr Ohr gekommen. »Haltdurch, Martha!«, hatte er geflüstert. »Sag nichts, es ist bald vorbei.«
    Tatsächlich beschlossen die Schöffen, erst am nächsten Morgen mit der Befragung fortzufahren. Seitdem lag sie wieder in ihrer Zelle und dämmerte zwischen Wachen und Schlafen. Gelegentlich hörte sie die Kirchenglocken. Selbst der Riegg Georg in der Zelle nebenan hatte mit dem Zetern aufgehört. Es war kurz vor zwölf Uhr nachts.
    Trotz ihrer Schmerzen und ihrer Angst versuchte Martha Stechlin nachzudenken. Aus den Berichten des Henkers, den Befragungen und Anschuldigungen versuchte sie sich ein Bild von den Ereignissen zu machen. Drei Kinder waren mittlerweile tot, zwei waren verschwunden. Alle waren in der Nacht vor dem ersten Mord bei ihr gewesen. Jakob Kuisl hatte ihr von dem merkwürdigen Zeichen erzählt, das man auf ihren Körpern gefunden hatte. Außerdem fehlte ihre Alraune. Jemand musste sie gestohlen haben.
    Wer?
    Mit dem Finger malte sie das Zeichen in den Staub am Boden

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