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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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hatten es die ganze Zeit vor Augengehabt und einfach nicht gesehen! Magdalena malte sich aus, wie sie ihrem Vater die Botschaft überbringen würde. Ihre Faust schloss sich fest um das Ding in ihrer Hand. Schon heute könnte die Hebamme freikommen. Nun, vielleicht nicht frei, aber bestimmt würde man die Folter aussetzen und neu verhandeln. Magdalena war sich sicher, dass sich alles nun zum Guten wenden würde.
    Der Ast traf sie direkt am Hinterkopf, so dass sie nach vorne in den Schlamm fiel.
    Kurz versuchte sie sich hochzustemmen, als sie plötzlich eine Faust im Nacken spürte, die sie wieder zurück in den Matsch drückte. Ihr Gesicht lag in einer Pfütze. Als sie versuchte zu atmen, schmeckte sie nur Dreck und schmutziges Wasser. Sie zappelte wie ein Fisch auf dem Trockenen, doch der Angreifer hielt ihren Kopf nach unten gedrückt. Als ihr bereits schwarz vor Augen wurde, zog die Hand sie plötzlich wieder nach oben. Sie hörte eine Stimme direkt an ihrem rechten Ohr.
    »Mal sehen, was ich mit dir noch anstelle, Henkersdirne. In Magdeburg hab ich einmal einem Mädchen die Brüste abgeschnitten und ihr zu fressen gegeben. Magst du das, hm? Aber zuerst brauch ich deinen Vater, und du, du wirst mir dabei helfen, Liebchen.«
    Ein zweiter Schlag ließ ihren Schädel explodieren. Sie spürte nicht mehr, wie der Teufel sie aus dem Wasser zog und die Böschung zum Fluss hinunterschleifte.
    Das Ding aus ihrer Hand sank auf den Grund der Pfütze und wurde langsam mit Schlamm bedeckt.
     
    Jakob Kuisl kämpfte um das Leben der ohnmächtigen Hebamme, die er zuvor gefoltert hatte. Er hatte die Wunde am Kopf gesäubert und einen Verband aus Eichenrinde gemacht. Die geschwollenen Finger waren miteiner dicken, gelben Paste eingeschmiert. Immer wieder flößte der Henker ihr eine Tinktur aus einem kleinen Fläschchen ein. Doch Martha Stechlin fiel das Schlucken schwer. Der rotbraune Saft lief ihr über die Lippen und tropfte zu Boden.
    »Was ist das?«, fragte Simon und zeigte auf das Fläschchen.
    »Ein Sud aus Johanniskraut, Tollkirsche und einigen anderen Pflanzen, die du nicht kennst. Es wird ihren Geist beruhigen, mehr aber auch nicht. Sie hätten die Wunde am Kopf gleich säubern sollen, verdammt! Sie ist bereits entzündet. Dein Vater ist ein vermaledeiter Quacksalber!«
    Simon schluckte, aber er konnte ihm nicht widersprechen.
    »Woher habt Ihr all dieses Wissen? Ich meine, Ihr habt nie studiert ... «
    Der Henker lachte laut auf, während er die unzähligen Blutergüsse an den Beinen der Hebamme untersuchte.
    »Studiert, ha! Ihr windigen Doktoren glaubt, dass ihr in euren kalten Universitäten der Wahrheit näher kommt. Aber da gibt’s nichts! Nur gescheite Bücher von gescheiten Männern, die von anderen gescheiten Männern abgeschrieben haben. Aber das wahre Leben, die wahren Kranken, die sind hier draußen. Lies in ihnen, nicht in den Büchern, das bringt mehr als die gesamte Ingolstädter Universitätsbibliothek! «
    »Aber Ihr habt doch auch Bücher zu Hause«, warf Simon ein.
    »Ja, aber was für Bücher? Bücher, die ihr verboten habt oder links liegen lasst, weil sie nicht in eure verstaubten Lehren passen! Scultetus, Paré oder der alte Dioskurides! Das sind echte Gelehrte! Aber nein, ihr lasst zur Ader, schaut euch Pisse an und glaubt weiter an eure stinkendenSäfte. Blut, Schleim und Galle, das ist alles, woraus für euch der menschliche Körper besteht. Wenn ich nur einmal eine medizinische Prüfung an einer eurer Universitäten ablegen dürfte ...«
    Er brach ab und schüttelte den Kopf. »Aber was reg ich mich auf. Ich soll die Hebamme heilen, und dann soll ich sie töten, weiter nichts.«
    Endlich war Jakob Kuisl mit der Untersuchung der Gefolterten fertig. Zum Schluss riss er noch einige Stücke Leinen in Streifen, tränkte sie mit der gelben Paste und umwickelte die Beine, die aussahen wie ein einziger, großer Bluterguss. Dabei schüttelte er immer wieder den Kopf.
    »Ich hoffe, ich habe sie nicht zu hart rangenommen. Aber das Schlimmste ist die Wunde am Kopf. In den nächsten Stunden wird sich zeigen, ob das Fieber zurückgeht oder ob es weiter steigt. Wenn es weiter steigt, wird die kommende Nacht für Martha die letzte auf Erden sein, fürcht ich.«
    Er stand auf.
    »Auf alle Fälle müssen wir dem Lechner sagen, dass er heute kein Geständnis mehr bekommt. Das gibt uns Zeit.«
    Jakob Kuisl beugte sich noch einmal zur Hebamme hinunter und bettete ihr Haupt auf einen frischen Ballen Stroh. Dann

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