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Die Henkerstochter

Titel: Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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worden.
    Der Schatz des Ferdinand Schreevogl ... Jakob Kuisl hatte ihn gefunden.
    Soweit der Henker es überschauen konnte, waren es Silberpfennige und Rheinische Goldgulden, alle im besten Zustand und von einwandfreiem Gewicht. Zum Zählen waren es zu viele. Kuisl schätzte, dass es über hundert Münzen waren. Von diesem Geld konnte man sich ein neues Bürgerhaus bauen oder einen Stall mit edelsten Pferden kaufen! Noch nie in seinem ganzen Leben hatte der Henker so viel Geld auf einmal gesehen.
    Mit zitternden Fingern sammelte er die Münzen ein und ließ sie in seinen Sack rieseln. Es klimperte, und der Sack wurde merklich schwerer. Mit dem Beutel zwischen den Zähnen schob er sich schließlich den schmalen Gang zurück in die anschließende Kammer.
    Nachdem er unter vielen Mühen zurückgekrochen war,richtete sich Jakob Kuisl schweißgebadet auf, klopfte den Lehmstaub vom Gewand und machte sich auf den Weg zurück zur ersten Kammer. Er grinste. Wahrscheinlich war der junge Simon schon längst wieder da und wartete ängstlich im Dunkeln auf seine Rückkehr. Oder er hatte die Kinder bereits gefunden. Hatte er vorher nicht jemanden leise rufen hören? So oder so würde er dem Jungen eine hübsche Überraschung präsentieren …
    Der Henker lächelte grimmig und ging an den Wurzeln vorbei, die aus dem Loch über ihm hin und her baumelten.
    Er stutzte.
    Warum bewegten sie sich?
    Seit er den Raum das letzte Mal passiert und die Wurzeln gestreift hatte, war eine ganze Weile vergangen. Trotzdem schwangen sie noch leicht hin und her. Wind gab es hier unten keinen. Entweder war also jemand direkt über ihm über die Lichtung oben auf der Baustelle gegangen und hatte die Wurzeln zum Schwingen gebracht oder aber …
    Jemand musste sie von unten berührt haben.
    War jemand anders hier entlanggegangen? Aber wer? Und wohin? Die Kammer hatte nur zwei Ausgänge. Aus dem einen war er vorher herausgekommen, und der andere endete in einer Sackgasse.
    Abgesehen von dem Schacht über ihm natürlich.
    Der Henker näherte sich vorsichtig dem unteren Ende des Loches und warf einen Blick nach oben. Die fahlgelben Wurzeln fuhren wie Finger über sein Gesicht.
    In diesem Moment kam aus dem Schacht etwas großes Schwarzes wie eine riesige Fledermaus auf ihn herabgeflogen. Instinktiv warf Kuisl sich zur Seite und prallte mit der Schulter schmerzhaft auf dem Lehmboden auf. Trotzdemgelang es ihm, die brennende Laterne festzuhalten. Hektisch nestelte er an seinem Gürtel, an dem der Knüppel aus Lärchenholz steckte. Aus dem Augenwinkel sah er eine Gestalt, die sich geschickt am Boden abrollte und wieder auf die Beine kam. Sie trug ein blutrotes Wams. Der Hut mit der Hahnenfeder war ihr während des Sprungs vom Kopf gerutscht. Die rechte Hand leuchtete knochenweiß und hielt eine Fackel, die linke ballte sich um den Griff eines Säbels.
    Der Teufel lächelte.
    »Gut gesprungen, Henker. Aber glaubst du wirklich, damit könntest du mir entkommen?«
    Er deutete auf den Knüppel in Kuisls Hand. In der Zwischenzeit war der Henker auf die Beine gekommen und wiegte seinen massigen Oberkörper in Erwartung des Angriffs hin und her. Der Knüppel wirkte in seiner rechten Pranke tatsächlich wie ein Spielzeug.
    »Für dich, da braucht es nicht mehr«, sagte er. »Wenn ich mit dir fertig bin, wird dich deine Mutter nicht mehr erkennen. Wenn du überhaupt je eine hattest.«
    Während er weiter lächelte, fluchte Jakob Kuisl innerlich. Ein Rindvieh war er! Er hatte dem Söldner den Weg zu den Kindern gewiesen! Es war doch klar gewesen, dass ihnen der Teufel folgen würde. Wie die Esel waren sie in seine Falle getappt!
    Aus dem Augenwinkel versuchte er den Tunnel hinter sich zu erkennen. Der Teufel hatte recht. Gegen einen Mann mit Säbel würde er allein schon wegen der größeren Reichweite keine Chance haben. Außerdem war der Mann vor ihm ein geübter Kämpfer. Allein aus den Bewegungen, wie er den Säbel kreisen ließ, konnte Jakob Kuisl schließen, dass er es mit einem mindestens ebenbürtigen Gegner zu tun hatte. Dass der Söldner leicht hinkte, schienihn nicht zu beeinträchtigen. Wahrscheinlich machte sich die Behinderung nur auf längeren Wegen bemerkbar. Jedenfalls machte der Mann vor ihm nicht im Geringsten den Eindruck, harmlos zu sein. Im Gegenteil, der Söldner sprühte vor Kampfeslust.
    Jakob Kuisl ging im Kopf die Möglichkeiten durch, die ihm blieben. Ein Rückzug kam nicht in Frage. Durch den engen Tunnel Richtung Brunnen konnte er nicht

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