Die Henkerstochter
gestorben ...«
»Ja, an einem Fieber, ich selbst habe ihm die Letzte Ölung gegeben. Noch auf dem Sterbebett hat er von dem Grundstück gesprochen, meinte, wir würden damit noch viel Freude haben und viel Gutes bewirken können. Seinem Sohn hat er nie verziehen. Den Letzten, den er sehen wollte, war nicht Jakob Schreevogl, sondern der alte Matthias Augustin. Die beiden waren ja seit ihrer Zeit imStadtrat miteinander befreundet, sie kennen sich schon seit der Kindheit.«
»Und auch am Sterbebett hat er die Schenkung nicht zurückgenommen?«
Das Gesicht des Pfarrers war jetzt ganz nah am Holzgitter.
»Was hätte ich tun sollen?«, fragte er. »Dem Alten abraten? Ich war so froh, das Grundstück endlich erwerben zu können, noch dazu ohne einen einzigen Gulden. Es ist von der Lage her wie geschaffen für ein Siechenhaus. Weit genug von der Stadt entfernt und trotzdem nahe an der Straße ...«
»Wer, glaubt Ihr, hat die Baustelle so zerstört?«
Pfarrer Konrad Weber schwieg wieder. Als Simon schon glaubte, er würde nichts mehr sagen, war seine Stimme doch wieder zu hören. Sehr leise allerdings.
»Wenn die Verwüstungen so weitergehen, werde ich meinen Entschluss, das Siechenhaus zu bauen, vor dem Rat nicht mehr halten können. Zu viele sind dagegen. Selbst der Probst glaubt, dass wir uns so einen Bau nicht leisten können. Wir werden das Grundstück wieder verkaufen müssen.«
»An wen?«
Wieder Schweigen.
»An wen, Herr Pfarrer?«
»Bis jetzt hat sich noch keiner gemeldet. Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass der junge Schreevogl bald in meiner Pfarrei auftaucht ...«
Simon stand in dem engen Beichtstuhl auf und wandte sich nach draußen.
»Ich danke Euch sehr, Herr Pfarrer.«
»Simon? «
»Ja, Herr Pfarrer?«
»Die Beichte.«
Seufzend setzte sich Simon wieder hin und lauschte den monotonen Lauten des Priesters.
»Indulgentiam, absolutionem et remissionem peccatorum tuorum tribuat tibi omnipotens et misericors Dominus...«
Es würde ein langer Tag werden.
Als Simon schließlich den Beichtstuhl verließ, stutzte Pfarrer Konrad Weber kurz. Es war ihm, als hätte er etwas vergessen. Etwas, das ihm vorher auf der Zunge gelegen hatte und an das er sich nun partout nicht mehr erinnern wollte. Nach kurzem Grübeln wendete er sich wieder seinen Gebeten zu. Vielleicht würde es ihm ja irgendwann wieder einfallen.
Seufzend trat Simon vom dunklen Kircheninnere hinaus ins Freie. Die Sonne war mittlerweile über die Dächer gewandert. Auf einer Bank neben dem Friedhof saß Jakob Kuisl und saugte an seiner Pfeife. Mit geschlossenen Augen genoss er die warmen Frühlingsstrahlen und den exzellenten Tabak, den er auf der Baustelle gefunden hatte. Er hatte bereits vor einiger Zeit die kühle Kirche verlassen. Als er Simon kommen hörte, blinzelte er.
»Und?«
Simon setzte sich neben ihn auf die Bank. »Ich glaube, wir haben eine Spur«, sagte er. Dann berichtete er von dem Gespräch mit dem Pfarrer.
Der Henker kaute nachdenklich an seiner Pfeife. »Dieses Gerede von Hexen und Zauberern halte ich für Mummenschanz. Aber dass der alte Schreevogl seinen Sohn praktisch enterbt hat, das ist doch wert, darüber nachzudenken. Du glaubst also, der junge Schreevogl könnte die Baustelle sabotiert haben, um wieder an das Grundstück zu kommen?«
Simon nickte. »Möglich ist es. Schließlich hat er dort unten eine zweite Ziegelbrennerei bauen wollen, das hat er mir selbst erzählt. Und er ist ehrgeizig.«
Plötzlich fiel ihm etwas ein.
»Die Magd im Semerwirt, die Resl, hat mir doch von den Söldnern erzählt, die sich mit jemandem oben im Gasthaus getroffen haben«, rief er. »Einer von denen hat gehinkt, sagt sie. Das muss der Teufel gewesen sein, den wir heute gesehen haben. Vielleicht ist es ja Jakob Schreevogl gewesen, der sich mit dem Teufel und den anderen Söldnern oben im Gasthaus getroffen hat. «
»Und was hat das alles mit dem Stadlbrand, den Zeichen und den toten Kindern zu tun?«, fragte Jakob Kuisl zurück und sog weiter an seiner Pfeife.
»Vielleicht gar nichts. Vielleicht gehen der Stadl und die Kinder wirklich auf das Konto der Augsburger. Und der junge Schreevogl hat die Aufregung nur genutzt, um unbemerkt die Baustelle zu zerstören.«
»Während sein Mündel entführt wird?« Der Henker stand kopfschüttelnd auf. »Das ist doch alles ein Schmarren! Wennst mich fragst, sind das zu viele Zufälle auf einmal. Irgendwie muss das alles zusammenpassen, der Brand, die Kinder, die
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