Die Herren der Unterwelt 01 - Schwarze Nacht
geschnitten.
Auf einmal fühlte er sich schuldig. Hatte Aeron nur mit ihm gekämpft, um ihm zu helfen?
„Niemand fasst das Mädchen an“, befahl er, und das Schuldgefühl wuchs. Eigentlich sollte er seinen Freunden gegenüber loyaler sein. „Egal, was wir da drin vorfinden. Sie gehört mir, verstanden? Ich kümmere mich selbst um sie.“
Eine bedeutungsschwere Pause entstand, während die Männer über ihre Antworten nachdachten.
„Okay“, seufzte Lucien.
Aeron schwieg.
„Es ist mein Zimmer. Ich kann auch alleine reingehen und dich hier draußen stehen lassen …“
„Schon gut“, keifte Aeron. „Sie gehört dir. Auch wenn du eh nicht das einzig Vernünftige tun wirst … Aber sobald ich einen Jäger sehe, bringe ich ihn um.“
„Einverstanden.“ In beiderlei Hinsicht.
„Was hat sie nur mit dir gemacht, dass du ihr so viel Loyalität entgegenbringst?“, fragte Lucien neugierig. Neugierig, nicht missgünstig.
Maddox wusste es nicht. Und er wollte auch nicht darüber nachdenken. Er wusste nur, dass er eigentlich die Missgunst seiner Freunde verdient hätte.
„Ich glaube, der Gute hat vergessen, dass Sex Sex ist.“ Aeron spielte bedrohlich mit einem der Messer herum. „Mit wem man ihn hat, ist Jacke wie Hose. Diese Frau ist nichts Besonderes. Keine Frau ist besonders.“
Plötzlich war Maddox in einem neuen Netz der Wut gefangen, das jegliche Schuldgefühle unschädlich machte. Er trat Aeron die Beine weg und stürzte sich auf ihn, noch ehe er auf dem Boden aufkam. Maddox nutzte das Überraschungsmoment aus, um ihm ein Messer zu entwenden, und hielt es ihm an die Kehle.
Aeron jedoch, der noch während des Sturzes begriffen hatte, was geschah, hatte seinerseits ein Messer an Maddox’ Kehle gesetzt. Maddox spürte, wie die Spitze durch seine Haut in eine Sehne schnitt. Trotzdem wich er nicht zurück.
„Willst du sterben?“
Gänzlich unerschrocken zog Aeron seine gepiercte Augenbraue hoch. „Willst du?“
„Lass ihn los, Maddox.“ Lucien sprach ganz ruhig.
Maddox drückte die Waffe tiefer in den Hals seines Freundes und starrte ihm dabei unverwandt in die Augen. Zwischen ihnen loderte ein wildes Feuer. „Sprich nicht so über sie.“
„Ich spreche so über sie, wie es mir passt.“
Er starrte ihn finster an. Ich mag diesen Mann. Ich bewundere ihn. Er hat für mich getötet und ich für ihn. Doch tief in seinem Innern wusste Maddox, dass er die Beherrschung verlieren würde, wann immer jemand abfällig über Ashlyn spräche. Von wem die Worte kämen, wäre gleichgültig. Nichts war von Bedeutung außer ihr. Er hasste diese Tatsache, und er verstand es auch nicht. Aber er war dem Gefühl machtlos ausgeliefert.
„Ich habe keine Ahnung, warum“, erklärte Lucien, „aber dieses Mädchen reizt seinen Dämon. Versprich ihm, dass du nicht mehr so über sie reden wirst, Aeron.“
„Wieso sollte ich?“, war die brummige Antwort. „Vor Kurzem hatte ich noch das Recht auf freie Meinungsäußerung.“
Tief einatmen, langsam ausatmen. Es half nicht. Maddox konnte spüren, wie er sich für den nächsten Angriff bereit machte. Verdammt! Ich muss mich in den Griff kriegen. Das Ganze war ja so lächerlich und peinlich. Noch nie hatte er weniger Einfluss auf sein Handeln gehabt.
„Aeron, es muss dir doch allmählich auf die Nerven gehen, ständig Blut aufzuwischen“, bemerkte Lucien. „Denk mal daran, wie viel es erst sein wird, wenn die Jäger versuchen, sich Zutritt zu unserem Zuhause zu verschaffen, und wir sie nicht aufhalten. Also versprich es ihm schon.“
Aeron zögerte nur einen kurzen Moment, bevor er das Messer von Maddox’ Kehle nahm. „Also gut“, zischte er. „Kein Wort mehr über das Mädchen. Zufrieden?“
Ja. Maddox entspannte sich augenblicklich und stand auf. Er hielt Aeron sogar die Hand hin, um ihm hochzuhelfen, aber Aeron fegte sie beiseite und stand allein auf. Paris hatte Maddox einmal „Stimmungswechsler“ genannt. Damals hatte er nur Spaß gemacht, doch allmählich glaubte Maddox, dass an dem Namen etwas dran war.
„Ich werde es nicht sagen, aber du weißt genau, was ich gerade denke, oder?“, meinte Aeron trocken.
Ja. Er wusste es. Er war genauso schlimm wie Paris – wenn nicht noch schlimmer.
„Ach, Kinder“, murmelte Lucien und verdrehte die Augen.
„Ja, Mommy?“, erwiderte Aeron ironisch.
Maddox schloss für einen kurzen Moment die Augen, um sich zu konzentrieren, und versuchte, sich von Ashlyns Bedeutungslosigkeit zu überzeugen. Ashlyn
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