Die Herren der Unterwelt 01 - Schwarze Nacht
Sie hatte weder gebadet noch gegessen. Sie musste, gleich nachdem er gegangen war, eingeschlummert sein.
„Hübsch“, kommentierte Aeron mit widerwilliger Bewunderung in der Stimme.
Hinreißend, korrigierte Maddox innerlich. Meins. Ihre Lippen waren rot und voll und köstlich angeschwollen. Hatte sie vor Sorge darauf herumgekaut? Er beobachtete, wie sich ihr Brustkorb langsam hob und senkte und ertappte sich dabei, wie er die Hand nach ihr ausstreckte – nicht anfassen, nicht anfassen – und unfähig war, irgendetwas dagegen zu tun. Kurz bevor er sie berührte, ballte er die Hand zu einer Faust. Wieder verkrampfte sich sein Körper völlig, während das Begehren in ihm köchelte. Ein düsteres Begehren, so intensiv, dass es ihm Angst machte, und viel mächtiger als Gewalt es je gewesen war.
Wie schaffte sie es nur, allein durchs Atmen eine derartige Reaktion bei ihm auszulösen?
Berühr sie. Wer wollte das? Er? Der Dämon? Sie beide? Es war egal. Nur eine zärtliche Berührung, dann würde er gehen. Er würde eine Dusche nehmen und wiederkommen, wenn sie sich ausgeruht hatte – bis dahin hätte er sich auch fest im Griff. Bestimmt.
Endlich öffnete er die Hand und streichelte ihr mit den Fingerspitzen sanft über die Wange. Eine Liebkosung, die so zart war wie ein Flüstern. Ihre Haut war seidig weich und elektrisierend. Ein Kribbeln durchlief ihn, und sein Blut wurde noch ein paar Grad wärmer.
Als hätte auch sie die Spannung gespürt, schlug sie die Augen auf.
Ruckartig setzte sie sich auf, die Haare fielen ihr über Schultern und Rücken. Ihre schläfrigen Augen suchten seinen Blick, wurden größer. „Maddox.“ Sie rutschte zurück bis an das metallene Kopfende. An der Seite des Bettes rasselten Ketten, die Ketten, mit denen er Nacht für Nacht gefesselt wurde. „Maddox“, wiederholte sie – verängstigt, erstaunt … glücklich?
Er, Lucien und Aeron traten unisono einen Schritt zurück. Maddox wich zurück, weil er in ihren schönen Augen seinen Untergang gesehen hatte. Aber warum die anderen beiden genauso reagierten, war ihm ein Rätsel.
„W-was machst du da?“, stammelte sie. „Und was ist mit deinem Gesicht passiert? Du blutest ja.“ Er hörte die Betroffenheit in ihrer Stimme und war tief bewegt. Würde sie immer so auf ihn wirken?
Ashlyn blickte zu den anderen und gab ein ersticktes Wimmern von sich. „Es hat euch wohl nicht gereicht, ihn letzte Nacht umzubringen. Nein, ihr musstet ihn heute auch noch zusammenschlagen, was? Raus hier, ihr … ihr … Mörder! Sofort raus mit euch!“
Sie sprang aus dem Bett, stellte sich vor Maddox und taumelte leicht, als sie die Arme abwehrend ausstreckte. Wollte sie ihn beschützen? Schon wieder? Die drei Männer tauschten verblüffte Blicke.
Sie benahm sich wie eine Unschuldige … oder wie jemand, der vorgab, unschuldig zu sein. Und Maddox verspürte nach wie vor das Verlangen, sie zu berühren. Um sie zu trösten? Er schüttelte den Kopf. Das war unmöglich. Vermutlich war es die pure Lust. Nur das ergab einen Sinn. Er war ein Mann, sie eine Frau. Er begehrte sie.
Aber würde seine Befürchtung wahr werden? Würde sich sein Begehren verfinstern?
Er packte sie am Arm und zog sie hinter sich. Dann wechselte er einen irritierten Blick mit Lucien und schaute sogleich wieder zu ihr. Bevor er auch nur ein Wort sagen konnte, platzte sie heraus: „Bringst du mich jetzt in die Stadt? Bitte.“
Damit er sie niemals wiedersähe? „Iss jetzt.“ Seine Stimme klang rauer als beabsichtigt. „Und nimm ein Bad. Ich bin bald zurück.“ Seine Freunde herrschte er an: „Los jetzt.“ Er ging auf den Flur hinaus.
Sie verharrten nur noch einen Augenblick, dann folgten sie ihm. Nachdem Maddox die Tür von außen abgeschlossen hatte, lehnte er sich mit der Stirn gegen die kalte Steinmauer und konzentrierte sich auf jedes Luftmolekül, das er langsam ein- und kontrolliert wieder ausatmete, während er sich bemühte, seinen wilden Herzschlag unter Kontrolle zu bringen. Das muss aufhören.
„Du hast ein Problem in unser Haus gebracht“, bemerkte Aeron. „Hat sie tatsächlich versucht, dich vor uns zu beschützen?“
„Sicher nicht.“ Doch es war nun schon das zweite Mal, dass sie sich so verhalten hatte, und er war verwirrter denn je.
Er straffte die Schultern und rieb sich mit der Hand übers Gesicht.
„Lass mich gehen, Maddox“, ertönte Ashlyns Stimme durch die Tür. Ihr weicher, trällernder, erotischer Klang reizte ihn noch mehr als am
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