Die Herren der Unterwelt 02 - Schwarzer Kuss
besiegt. Das war das Aufregendste, was seit Hunderten von Jahren passiert war. Sie hasste es, ihn zu verlassen. War es töricht, ihn zu vermissen?
„Wahrscheinlich“, sagte sie zu sich selbst und wirbelte mit einer Bewegung ihres Fußes Sand auf.
Sie trug einen knappen Bikini in Saphirblau, der auf beiden Seiten mit Bändern zusammengehalten wurde. Wenn Lucien zurückgekommen wäre, wie sie es sich erträumt hatte, dann hätte sie so wild mit ihm gekämpft, dass „aus Versehen“ eine ihrer Brüste aus dem Oberteil gerutscht wäre. Er hätte zu schwitzen begonnen, der Kampf hätte sich in einen Kuss gewandelt, und sie hätten sich geliebt.
Sie hätten einander wieder berührt.
Sie seufzte. Das wird wohl nicht noch einmal passieren. Die leichte Brise wehte ihr eine Strähne in die Augen. Sie strich sie hinters Ohr. Was er wohl gerade machte? Vermisste er sie? Nur ein kleines bisschen? Ersann er gerade einen Plan, wie er sie am besten umbringen könne? In diesem Moment?
Der Mistkerl war vermutlich froh, weit weg zu sein. „Aber das reicht nicht aus.“
Sie kniff die Augen zusammen und ballte die Fäuste. Wenn er nicht zu ihr kam, dann musste sie eben zu ihm gehen.
Die Jäger hatten es geschafft, den Tempel aller Götter vor ihnen zu erreichen.
Die winzige Insel war erst einige Wochen zuvor langsam aus dem Meer aufgestiegen. Und bisher schien der Rest der Welt davon noch nichts bemerkt zu haben. Die Menschen hatten sie weder mit ihren Satelliten noch mit anderen Technologien aufgespürt. Wie konnten die Jäger von ihr erfahren haben?
Wer also hatte ihnen davon erzählt?
Was Lucien wusste, das wusste er von Anya. Wenn sie Maddox geholfen hatte, hatte sie allen Kriegern geholfen, denn sie hatte ihnen verraten, wo die Ruinen waren. Außerdem hatte sie ihnen die Pläne der neuen Götter preisgegeben: Sie wollten die Welt wieder so herstellen, wie sie vor Urzeiten gewesen war: Anbetung und Blutopfer. Hatte sie das auch den Jägern verraten?
Vielleicht hatte sie das getan, um ihm zu schaden, dachte Lucien. Schließlich hatte er ja versucht, sie umzubringen.
Allerdings auf die denkbar peinlichste Art und Weise.
Sein Kinn zitterte, so schämte er sich. Jetzt ist es kein guter Zeitpunkt, an sie zu denken.
Wann würde es besser passen?
Später.
Fast konnte er hören, wie der Tod in seinem Innersten freudig in die Hände klatschte. Aber Lucien glaubte nicht, dass es daran lag, dass der Dämon sich darauf freute, Anyas Seele zu holen. Er hatte noch nicht verstanden, warum der Dämon sie gern wiedersehen wollte, aber er hatte auch keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen.
Die Jäger hatten ihre Lager in den Hügeln um den Tempel herum aufgeschlagen, und man musste sie restlos und schnell loswerden. Schon einmal hatte er diesem Krieg den Rücken gekehrt. Einmal zuviel, und das würde nicht wieder passieren. Alles, was die Jäger vorhatten, jede Bewegung von ihnen, zielte darauf ab, seinen Freunden zu schaden.
Lucien hatte die Jäger nicht bemerkt, als er sich am Morgen auf die Insel teleportiert hatte, um sich umzuschauen. Erst als er wusste, dass es dort sicher war, hatte er seine Freunde dorthin gebracht. Aber er war nur kurz geblieben. Der Tod hatte an ihm herumgezerrt. Wenn er dem Dämon länger nicht nachgab, verursachte ihm das physische Schmerzen.
Am Ende verbrachte er den ganzen Tag damit, Menschenseelen zu ihrer letzten Stätte zu geleiten. Erst in der Dämmerung kehrte er zurück und war endlich in der Lage, die Gegend zu sondieren, wie er es sich vorgenommen hatte. So konnte er feststellen, ob es sicher genug war, die anderen zu holen.
In genau diesem Augenblick hatte er die Jäger gesehen. Er war überrascht gewesen. Er war immer noch schockiert. Nicht nur, weil sie vor ihm den Tempel erreicht hatten, sondern dass sie so schnell nach der Plage ihre Kräfte wieder gesammelt hatten. Ihre Entschlossenheit war größer, als er geglaubt hatte.
Es konnte noch nicht lange her gewesen sein, da hatten sie die Ruinen verlassen und waren zu ihrem Lager zurückgekehrt. Sie hatten ihre Zelte sehr gut versteckt, hatten Äste und Zweige benutzt, um sich zu tarnen.
Wie lange waren sie schon hier gewesen? Die Antwort darauf war egal, denn Lucien wusste, was sie geplant hatten.
„Wir werden sie alle töten“, hatte er einen von ihnen sagen hören, als sie an ihm vorbeigingen. Lucien war unbemerkt geblieben, denn er befand sich in der Welt der Geister und war daher unsichtbar.
„Sie sollen aber erst
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