Die Herren der Unterwelt 03 - Schwarze Lust
sie sich im gebündelten Licht von Scheinwerfern bewegen, als würde ihr der gaffende Blick aller Passanten folgen.
Großer Gott, was sollte sie jetzt nur tun?
Sie beschleunigte ihren Schritt, bis sie fast rannte. Sie hatte vierzig Dollar in der Tasche. Genug für ein Busticket. Aber wohin? Vielleicht nach Georgia. Der Pfirsich-Staat war weit genug entfernt, und wichtiger noch: Sie würde an Oklahoma vorbeikommen. Dort könnte sie nach ihrer Großmutter suchen.
Sie hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als ihr etwas in den Rücken stieß und sie in eine dunkle Gasse drückte. Dort schlug sie mit einer solchen Wucht auf dem Pflaster auf, dass sämtliche Luft mit einem Schlag aus ihren Lungen zu entweichen schien. Steine bohrten sich durch den dünnen Stoff ihres Pullovers und T-Shirts in ihre Haut. Mit dem Kiefer knallte sie auf den Boden. Dann sah sie nur noch kleine weiße Sternchen vor den Augen tanzen.
„Du verdammte Hure!“, knurrte eine Männerstimme ganz dicht an ihrer Schläfe. Kleine Spucketröpfchen spritzten ihr ins Haar. Bird Brother zwei. Er hatte sie also doch nicht entkommen lassen. „Hast du wirklich geglaubt, ich würde dich einfach so abziehen lassen? Du gehörst uns, Baby, und du wirst genauso leiden wie deine Freunde. Die darf ich leider nicht töten, aber dich … du wirst mich sogar anflehen, dass ich endlich Schluss mit dir mache.“
Wieder übernahm ihr Instinkt das Kommando. Schrei nicht lange herum, kämpfe! Warte nicht, bis du dich wehren musst, schlag gleich zu! Die Worte hatten sich ihr eingebrannt, waren ihr in Fleisch und Blut übergegangen. Als ihr Angreifer sie an den Haaren herumriss und sie hochhob, schnellte sie automatisch herum. Sie spürte einen stechenden Schmerz auf der Kopfhaut, als sie ihre Haare seiner Umklammerung entriss, aber der hielt sie nicht auf. Pfeilschnell stieß sie ihren Arm gegen seinen Kehlkopf, um ihm den Atem zu nehmen und sich frei zu strampeln, während er nach Luft rang. Bleib dran.
Sie hörte ein Grunzen, dann einen Heulton. Seine Umklammerung lockerte sich.
Eine warme Flüssigkeit lief an ihren Händen herunter und sammelte sich in den Vertiefungen zwischen den Fingerknöcheln. Was um … plötzlich kapierte sie. Sie hielt den Bleistift immer noch umklammert und hatte ihm die Spitze tief in den Hals gerammt – genau so wie sie es sich im Diner ausgemalt hatte.
Oh mein Gott! Benommen rappelte sie sich auf. Sie schwankte und musste sich an seinen Schultern festhalten, um nicht zu fallen. Und dann wäre sie fast vor lauter Grauen zusammengeklappt, als der Mann mit einem gurgelnden Geräusch in sich zusammenfiel. Mondlicht fiel auf die umliegenden Gebäude und beleuchtete sein blasses, schmerzverzerrtes, schreckstarres Gesicht. Er versuchte zu sprechen, brachte aber keinen Ton mehr heraus.
„Es tut mir leid!“ Sie spreizte ihre Finger und ließ ihn endgültig los. Dann hob sie die Hände, mit den Handflächen nach außen. Das Blut lief ihre Arme herab. Panik mischte sich in das Grauen. Keine Spur von Abgeklärtheit. Nicht mehr. Und keine erlösende Betäubung.
Sie trat zurück, erst einen Schritt, dann noch einen. Oh Gott, oh Gott. Mörderin, schrie es in ihrem Inneren. Du bist eine Mörderin. Der metallische Geruch von Blut mischte sich mit dem Gestank nach Urin und Körperausdünstungen.
Bird Brother zwei war jetzt endgültig zusammengesackt und lag ausgestreckt auf dem Asphalt. Sein Kopf war zur Seite gedreht, und seine Augen schienen sie zu fokussieren, während sein Brustkorb sich zu einem letzten Atemzug hob und senkte. Oh Gott. Sie stieß Magensäure auf. Du hattest keine andere Wahl. Sonst hätte er dich umgebracht.
Weil sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte, drehte sich Danika um und bahnte sich schlingernd einen Weg durch die Menschenmenge, die sich bereits am anderen Ende des Gebäudes versammelt hatte. Die Neonlichter beleuchteten jede ihre Bewegungen, ihr keuchender Atem kam ihr vor wie ein Trommelwirbel. Aber niemand versuchte sie aufzuhalten.
Zwei Wochen zuvor hatte einer ihrer Selbstverteidigungstrainer in New York gesagt, dass sie keinen Killerinstinkt hätte.
Das würde er wohl heute nicht mehr behaupten.
Ich bin genauso schlecht wie die Monster.
3. KAPITEL
Ich weiß, wo deine Frau ist.“
Reyes richtete sich auf dem Sofa auf, die Spitze seines Messers steckte in seinem Arm. Er drückte es tiefer hinein, so tief, dass er ein paar Adern durchtrennte. Aber die Wunde würde nur allzu schnell wieder
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