Die Herren der Unterwelt 03 - Schwarze Lust
Lucien und seine Truppe. Paris, Maddox, Torin, Aeron und Reyes hatten sich vor Tausenden von Jahren von Sabin, Strider, Gideon, Cameo, Amun und Kane abgespalten.
Ihr gemeinsamer Freund Baden, Träger des Dämons des Misstrauens, war damals brutal von Jägern ermordet worden. Doch nachdem sie sich gemeinschaftlich an den Jägern gerächt hatten, hatten sich ihre Wege getrennt. Die eine Hälfte der Krieger hatte sich Frieden gewünscht, denn was gab es Besseres für eine gequälte Seele als ein Ende des ewigen Kampfes zwischen Gut und Böse, Licht und Dunkelheit? Die andere Hälfte jedoch wollte das Blut der Jäger in den Straßen des alten Griechenlands fließen sehen, träumte von blutroten Flüssen, in die sich Schmerz und Terror ergossen.
Und da sich beide Gruppen nicht einigen konnten, gingen sie getrennter Wege. So lange, bis Sabin die Blutrache nach Budapest gebracht hatte.
Reyes, der sich all die Jahre zurückgehalten hatte, konnte und wollte das jetzt nicht mehr tun. Er war in diese Sache hier verwickelt und sein Traum von Frieden für immer geplatzt. Vielleicht sogar schon, seitdem die Jäger Torin kürzlich die Kehle durchgeschnitten hatten, um ihn zu schwächen und alle anderen gefangen zu nehmen. Eine Mission, die zum Glück fehlgeschlagen war.
Doch Reyes würde in seiner Mission nicht scheitern.
Was auch immer er tun musste, um seine Feinde zu eliminieren, er würde es tun. Zur Not würde er sich sogar mit den Göttern anlegen, die vermutlich auf Seiten der Jäger standen.
Obwohl es natürlich schwierig war, die Motive und Ziele der Götter überhaupt zu erahnen: Sie waren so wankelmütig, unbeständig und rätselhaft, dass man meinte, vor einem Puzzle mit fehlenden Teilen zu sitzen. Während die schweigsamen griechischen Götter Reyes mit ihrer Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit genervt hatten, brachten ihn die mysteriösen Titanen an den Rand der Weißglut.
Sie behaupteten, sich nach Harmonie zu sehnen – sowohl im Himmel als auch darunter. Sie gaben vor, sich Anbetung und Verehrung zu wünschen und die Abkehr von Tod und Zerstörung. Und trotzdem hatten sie Danikas Ermordung angeordnet, hatten zuerst sogar Anyas Tod gefordert, aber inzwischen ihre Meinung geändert. Und was sie Aeron antaten …
Denk jetzt bloß nicht daran. Nicht hier und nicht jetzt. Seine Fingernägel hatten sich bereits verlängert und bohrten sich wie Nadeln in seine Handballen. Rote Punkte tanzten in seinem Sichtfeld, und sein Dämon flüsterte mit verführerischer Stimme: Schneide dich. Tu dir weh.
„Nein“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Hier entlang“, sagte Lucien. Als er Reyes hörte, hielt er kurz inne und warf ihm einen fragenden Blick zu. „Stimmt was nicht?“
„Nein, alles gut.“ Er würde sich erst dann wieder um seinen Dämon kümmern, wenn Danika wohlbehalten und sicher in seinem Bett lag. Bis dahin musste er dem Drang nach Selbstverstümmelung widerstehen. Der Blutverlust würde ihn nur schwächen, und er musste topfit sein für den anstehenden Kampf.
Doch je länger er dem Lockruf des Schmerzes widerstand, umso lauter und fordernder würde der Dämon werden. Von Minute zu Minute. Reyes kannte das alles nur zu gut. Und der Tumult in seinem Innern würde ihn immer mehr ablenken, das war der Fluch, der auf ihm lastete. Er konnte auf Dauer nicht anders: Er musste sich ritzen und verstümmeln, auch wenn ihn das schwächte wie jeden verletzten Menschen auch – zumindest vorübergehend.
„Was hast du gesagt?“, fragte Lucien.
Alle Blicke waren jetzt auf Reyes gerichtet.
Lucien rollte mit den Augen. „Das Mädchen wird eine Straße weiter festgehalten. Und überall hier laufen Unschuldige herum. Wir müssen also vorsichtig sein.“
Reyes waren die Unschuldigen vollkommen egal. Okay, vielleicht war das kalt und gefühllos, aber er hatte auch nie behauptet, ein weicher Typ zu sein. Obwohl er früher wohl mal anders war. Er erinnerte sich daran, in den Jahren, bevor Schmerz in ihm eingesperrt wurde, mit seinen Freunden gescherzt und gelacht zu haben. „Wie viele Jäger sind bei ihr?“ In seiner Wange zuckte ein Muskel, als er an die Qualen dachte, die sie womöglich in diesem Moment erlitt.
Aber was auch immer die Jäger mit Danika machten, er würde sich hundertfach an ihnen rächen, so bald er sie in die Finger bekäme. Sosehr er seinen Dämon auch hasste für die Dauerqualen, die er ihm bereitete, sowenig würde er heute zögern, ihm die Zügel zu überlassen,
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