Die Herren der Unterwelt 03 - Schwarze Lust
um Reyes vom frenetischen Hämmern seines Herzens abzulenken.
Einerseits hatte er davon geträumt, zu reisen und diese neue Welt mit eigenen Augen zu sehen, die ihm jahrhundertelang vorenthalten geblieben war, weil er durch Maddox’ Fluch an Budapest gebunden war. Doch jetzt war ihm seine Umgebung vollkommen egal. Er wollte nur eines: so schnell wie möglich zu Danika.
Obwohl er und die anderen sich weitgehend im Schatten bewegten, bemerkten die Menschen sie. Einige wichen rasch aus, andere starrten sie an. Die meisten grinsten und schienen irgendwie fasziniert. Das war eigentlich keine typische Reaktion für Sterbliche. Selbst die Einwohner von Buda waren eher vorsichtig respektvoll als freundlich. Hollywood, hatte Sabin gesagt. Reyes wurde klar, dass die Menschen hier dachten, sie wären Teil einer Filmkulisse. Hin und wieder blieb Paris stehen, um einer schmachtenden Frau einen kleinen Kuss zu entlocken. Er war seinem Dämon ebenso hilflos ausgeliefert wie Reyes – und wenn Promiskuität auf seine Kosten kommen wollte, dann nahm sich Paris eben die Zeit dafür. Ansonsten würden seine Kräfte rapide abnehmen. Doch zum ersten Mal in den vielen Jahren ihres Zusammenseins sah Paris nicht so aus, als würde er die Knutscherei genießen.
Reyes wartete nicht auf seinen Freund und erkundigte sich auch nicht, ob alles okay war. Er verlangsamte seinen Schritt keine Sekunde. Er fühlte sich gehetzt und getrieben, mit jedem Stiefelschritt mehr. Anya bog um eine Ecke; ihr langes, helles Haar strahlte wie ein Leuchtfeuer durch die Nacht. Sie führte sie eine dreckige Gasse hinunter, in der es nach Urin stank.
Als sie um die nächste Ecke bog, warf sie zur Vorwarnung einen lächelnden Blick über die Schulter. „Wir sind fast da.“
Reyes umfasste seine Pistole und griff nach einem Messer. Beide Waffen waren ihm so vertraut, dass sie ihm fast wie eine natürliche Verlängerung seiner Hände vorkamen. Nur noch einen kurzen Moment, dann siehst du sie. Gleich, in wenigen Augenblicken, würde der Kampf beginnen.
Und er, Reyes, würde niemanden überleben lassen.
Er spürte, wie um ihn herum der Adrenalinpegel stieg.
Krieg war ein Teil von ihnen, war in jede Zelle ihres Körpers einprogrammiert. Schließlich waren sie für den Krieg geschaffen worden.
Die Griechischen Götter, ihre Schöpfer, wussten, wie leicht himmlische Wesen vom Thron gestürzt werden konnten, denn schließlich hatten sie selbst die Titanen gefangen genommen. Um sich selbst vor einem ähnlichen Schicksal zu schützen, hatten die Griechen aus dem Blut des Kriegsgottes unsterbliche Krieger erschaffen und aus diesen eine Verteidigungsarmee rekrutiert.
Nach der dimOuniak-Tragödie, bei der Pandora ihr Leben verlor, die Büchse verschwand und die Dämonen in die für das Desaster verantwortlichen Krieger gesperrt wurden, hatten die Götter die Krieger auf die Erde verbannt und sich neue Krieger herangezogen. Die allerdings haben den Göttern auch nicht wirklich gutgetan, dachte Reyes mit einem hämischen Grinsen.
„Nur noch ein kurzes Stück …“, sagte Anya, atemlos vor Erregung. Es hätte keinen besseren Ersatz für Maddox geben können: Anya liebte Gewalt.
Vor ihnen brannte eine große Mülltonne, Flammen leckten über ihren Rand, dichte Rauchschwaden quollen heraus. Vier Männer standen um die Tonne, der eine mit einem Löffel in der Hand, in dem er einen festen kleinen Gegenstand zu einer blubbernden Flüssigkeit schmolz. Mit seiner freien Hand zog er die Flüssigkeit in einer Spritze hoch. Die anderen warteten darauf, dass sie an die Reihe kamen.
Drogen. Wie sehr wünschte sich Reyes, Drogen hätten auch auf ihn eine Wirkung. Aber er hatte bereits alles probiert – Rauchen, Trinken, Pillenschlucken, Spritzen –, nichts hatte sein Verlangen nach Schmerz abmildern können.
Am Ende der Gasse blieb Anya abrupt stehen. Lucien trat aus dem Schatten, wo er auf sie gewartet hatte. Er küsste Anya und schlang fast schon reflexhaft seinen Arm um ihre Taille, so wie jedes Mal, wenn sie zusammen waren.
Reyes wandte den Blick ab, der Anblick ihres Liebesglücks war mehr, als er momentan ertragen konnte. Wem versuchst du, in die Tasche zu lügen? Für dich ist es doch immer schwer zu ertragen.
Die Gasse teilte sich in drei weitere Gassen, und an dieser Gabelung standen halbmondförmig angeordnet fünf Gebäude. Reyes brauchte nicht zu fragen, in welchem davon sich Danika aufhielt, denn er hatte plötzlich ihren Gewitterduft in der Nase und spürte
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