Die Herren der Unterwelt 03 - Schwarze Lust
der Hölle. Es waren die miesesten Kreaturen, die Hades und sein Bruder Luzifer jemals erschaffen hatten. Lebende Albträume, absolut unkontrollierbar. In der Hoffnung, ihre schöne Welt zu retten, fertigten die Götter aus den Knochen der Göttin der Unterdrückung besagte Büchse. Mit List und Beharrlichkeit gelang es ihnen schließlich, die Dämonen einzufangen und in die Büchse zu sperren.“
„Den Rest kenne ich“, flüsterte Danika. Das beengte Gefühl in ihrer Brust war abwärts gewandert und hatte sich in Übelkeit verwandelt.
Stefano zog eine Augenbraue hoch. „Na, dann erzähl mal.“
„Die Götter baten Pandora, die Büchse zu bewachen.“
Er nickte. „Ja.“
„Doch Pandora öffnete sie“, fuhr sie fort, denn so lautete die bekannteste Version der Geschichte. Und dennoch war es nicht die Version, die sie von ihrer Großmutter kannte.
„Nein, hier irrt die Überlieferung.“ Stefano fuhr sich mit der Fingerspitze über das Tattoo auf seinem Handgelenk. „Pandora war eine Kriegerin, die beste weibliche Kriegerin ihrer Zeit. Sie hatte den Auftrag, die Büchse zu bewachen. Um nichts in der Welt, selbst nicht unter Todesandrohung, hätte sie sie geöffnet.“
Wieder zerrte Danika an der Eisenkette, diesmal jedoch nicht ganz so heftig. Wider Willen war sie fasziniert von der Geschichte und lauschte, obwohl sie doch eigentlich nur eines wollte: fliehen. Stefano war gerade dabei, die Version ihrer Großmutter zu bestätigen – eine Version, die sich beträchtlich von der gängigen Legende unterschied. „Und?“
„Die Elitesoldaten der Götter waren sauer, dass nicht sie selbst als Wachposten für die Büchse ausgewählt worden waren. Sie fühlten sich in ihrer Ehre gekränkt. Und deshalb beschlossen sie, die Götter auf ihren Fehler aufmerksam zu machen. Während der Krieger Paris Pandora verführte, kämpften die anderen ihre Wachen nieder. Am Ende hatten die Krieger gewonnen. Ihr Anführer Lucien öffnete die Büchse und ließ die furchtbaren Dämonen erneut auf die unschuldige Welt los. Wieder regierten Tod und Dunkelheit.“
Danika sackte auf ihrer Matratze zusammen. Sie starrte an die Decke und versuchte sich den schroffen, brutalen Reyes gemäß Stefanos Schilderung auszumalen. Als stolzen und eifersüchtigen Krieger. Komisch, als Danika mit ihm zusammen gewesen war, hatte sie nicht den Eindruck gehabt, dass Reyes sich groß darum scherte, was andere von ihm dachten. Er hatte Befehle gebellt, war griesgrämig und grüblerisch gewesen. „Und weiter?“
„Die Büchse verschwand. Niemand weiß, wohin, und wer sie an sich genommen hat. Die Götter fingen die Dämonen wieder ein und steckten sie mangels Alternative ins Innere der Krieger, die für den ganzen Schlamassel verantwortlich waren. Und dann verbannten sie sie auf die Erde. Die Krieger verloren dabei ihre menschlichen Züge. Sie verschmolzen mit den Dämonen, die sie beherbergten, und begannen unsere Erde in Blut zu tränken. Sie sind unser Fluch, und solange sie frei herumlaufen, wird niemand vor ihnen sicher sein.“ Stefano fuhr sich über den Hals, dann neigte er den Kopf zur Seite und blickte Danika durchdringend an. „Ich hab dich bereits gefragt, aber ich frage dich noch einmal: Kannst du dir eine Welt ohne Zorn, Schmerz, Lügen und Elend vorstellen?“
„Nein.“ Das konnte sie tatsächlich nicht. Seit zwei Monaten kannte sie sogar gar nichts anderes mehr als Elend.
„Die Herren der Unterwelt haben deine Großmutter getötet, Danika. Ist dir das klar?“
„Das können Sie doch gar nicht wissen!“, schrie sie. Wieder versuchte sie die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen. „Vielleicht lebt sie noch.“
„Nein, tut sie nicht.“
„Wie können Sie das einfach so behaupten?“ Danikas Stimme war nur mehr ein heiseres Krächzen. „Sie können das doch gar nicht wissen … oder haben Sie etwa … haben Sie …“
„… sie gesehen.“
Oh Gott, oh Gott, oh Gott. Nein, verdammt noch mal, nein! „Haben Sie?“ Sie hatte so leise gesprochen, dass sie ihre Worte selbst fast nicht hörte, doch sie traute sich nicht, die Frage zu wiederholen.
„Ja und nein“, gab er zu. „Einer meiner Leute hat gesehen, wie der Kerl, der sich Aeron nennt, ihren schlaffen Körper geschultert hatte. Beide sind im Inneren eines Gebäudes verschwunden, ansonsten wäre mein Agent ihnen noch weiter gefolgt.“
Bedauernd kniff sich Stefano in den Nasenrücken. „Anfangs hatten wir geplant, dich zu beschatten und darauf zu warten,
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