Die Herren der Unterwelt 03 - Schwarze Lust
Dämonen und das Böse regierten. Träume, die die zarte alte Dame im Alter von fünfundsechzig Jahren zu einem Selbstmordversuch veranlasst hatten.
Weder ihre Großmutter noch Danika hatten diese Träume als Vorausdeutungen der Zukunft gesehen, denn es hatte nie eine Verbindung zur Wirklichkeit gegeben, zumindest nicht, bis Reyes und seine Freunde in ihr Leben getreten waren. Trotzdem waren Danikas Träume real genug, um sie mürbe zu machen vor Angst, und sie konnte die Qualen ihrer Großmutter unmittelbar nachvollziehen.
Die meisten ihrer Träume waren wie ein einziger Sturm, in ihnen reihten sich gellende Schreie und tödliche Unglücke zu einem wahren Horrorszenario aneinander. So war es schon immer gewesen, ihr ganzes Leben lang. Ein blutiger Tod folgte auf den anderen. Früher hatte sie, als sie aus den Albträumen erwachte, ihre Traumbilder gezeichnet – ein verzweifelter Versuch, ihr Unterbewusstsein davon zu befreien, um nicht verrückt zu werden.
Als sie einmal nichts ahnend ihren Eltern eine der Zeichnungen gezeigt hatte, hatten diese sie so entsetzt angesehen, als wäre sie selbst eines der abgebildeten Monster. Danach hatte sie die Bilder niemandem mehr gezeigt, zumal auch sie selbst es nicht ertrug, sie anzuschauen.
Doch Danika kannte auch das andere Extrem – Träume von unbeschreiblicher Heiterkeit und Gelassenheit, in denen Engel mit weit geöffneten, weiß gefiederten Flügeln durch das helle Himmelsblau flogen. Die Schönheit dieser Träume war so überwältigend, dass sie mit einem Lächeln und voll positivem Elan aufwachte, nicht zitternd und schweißüberströmt wie jetzt.
„Ich bin hier, mein Engel, ich bin hier.“
Diese tiefe, volle Stimme gehörte sowohl in das Universum ihrer Albträume als auch in das der kurzen engelhaften Intermezzi. In dieser Stimme verschlangen sich Himmel und Hölle zu einer einzigen hypnotisierenden Verführung. Und während sie noch so dalag, verstummten die Stimmen des Albtraumes, die Dunkelheit wich, und Licht drang in ihr Bewusstsein.
Die Konturen eines Schlafzimmers nahmen Gestalt an, aber es war nicht das Schlafzimmer, in dem sie glaubte, eingeschlafen zu sein. Waffen zierten die Wände – von Wurfsternen über Schwerter und Degen bis hin zu Äxten war alles vertreten. Es gab einen blank polierten Waschtisch, aber keinen dazugehörigen Stuhl. Setzte sich der Bewohner dieses Zimmers nicht vor den Spiegel, um sich zu betrachten oder die Haare zu kämmen?
Der Bewohner? Woher weißt du, dass es das Zimmer eines Mannes ist?
Sie atmete tief ein und aus und nahm den bekannten Geruch nach Sandelholz und Pinien wahr. Oh, sie wusste Bescheid. Es war tatsächlich das eines Mannes, und zwar eines ganz bestimmten Mannes. Die plötzliche Erkenntnis ging ihr durch Mark und Bein. Vielleicht liegst du falsch. Bitte, lass es ein Irrtum sein.
Das Bett war mit schwarzen Baumwolltüchern bedeckt. Als Danika den Kopf drehte, stellte sie fest, dass ein halb nackter Mann sie umschlungen hielt. Seine Haut war schokoladen-und honigfarben, er hatte stramme Muskeln und hervortretende Sehnen. Seine Brust war frei von störender Brustbehaarung, dafür spannte sich von der Schulter bis zum Hals ein bedrohlich großer eintätowierter Schmetterling. Ein bedrohlicher Schmetterling – diese zwei Wörter reichten aus, um einen ganz bestimmten Mann zu beschreiben.
Reyes.
„Oh Gott.“ Mit einer brüsken Bewegung schüttelte sie ihn ab, setzte sich ruckartig auf und rutschte zum Rand der Matratze, panisch darauf achtend, ihm nicht eine Sekunde den Rücken zuzuwenden. Ihr Gespräch mit Stefano schoss ihr durch den Kopf.
„Was, wenn sie versuchen, mich umzubringen?“, hatte sie gefragt.
„Das werden sie nicht“, hatte er zuversichtlich geantwortet.
„Wieso sind Sie sich da so sicher? Das können Sie doch gar nicht wissen.“
„Es sind alles Männer. Und Sie sind eine Frau. Denken Sie mal darüber nach. Außerdem hätten sie Ihnen längst etwas angetan, wenn sie gewollt hätten. Aber das haben sie nicht.“
„Sie haben mir geraten, mich von ihnen fernzuhalten.“
„Warum?“
„Keine Ahnung.“
„Finde es heraus. Finde alles heraus, was du kannst. Über ihre Waffen, ihre Schwachstellen, ihre Pläne, ihre Vorlieben und Abneigungen. Du wirst ein Handy mitnehmen. Ein ganz kleines Gerät, leicht zu verbergen. Ich gebe dir einen Tag, um dich bei ihnen einzurichten. Danach telefonieren wir, soweit möglich, jede Nacht.“
„Was ist mit Ihnen?“, hatte sie gefragt, um
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