Die Herren der Unterwelt 04 - Schwarzes Flüstern
Stunden, Tage, ja sogar Wochen mit strategischen Planungen, bevor er in die Schlacht zog. „Ashlyn hat für die Jäger die Unsterblichen gefunden. Wahrscheinlich hat sie sogar die Hexen für sie ausfindig gemacht, verdammt. Dann soll sie jetzt einfach eine für uns finden. Unsere Hexe kann jedweden Bann aufheben – sofern wir es tatsächlich mit einem Zauber zu tun haben – und dann: bumm, Sieg.“
„Die Zeit ist nicht gerade auf unserer Seite. Wir müssen diese Kinder aus den Fängen unserer Feinde befreien. Wir müssen weiter nach der Büchse suchen“, entgegnete Lucien.
„Aber, Baby …“ Anya klang besorgt.
„Mir wird nichts passieren, Liebste. Ich habe dein Herz gewonnen. Ich kann alles schaffen.“ Lucien küsste sie, und trotz seines dringlichen Tonfalls verweilte er noch kurz, bevor er vollständig verschwand. Die Arbeiter werkelten rings um sie herum unbeirrt weiter. Falls sie die Krieger jetzt sehen und hören konnten, ließen sie es sich nicht anmerken.
Anya seufzte verträumt. „Götter, dieser Mann bringt meinen Motor auf Touren.“
Reyes lachte in sich hinein.
Strider verdrehte die Augen.
Amun blieb so stoisch wie immer.
Nein, nicht stoisch, dachte Gideon. Aber von irgendetwas Dunklem gezeichnet. Er betrachtete die Falten, die Amun vor Anspannung hatte und die sich von den dunklen Augen bis zu seinem Mund zogen. Seine Schultern waren so steif, als wären die Muskeln verknotet. Die letzte Reise in den Kopf des Jägers in der Pyramide hatte ihn offenbar nachhaltig mitgenommen.
Wenn es irgendetwas gab, was Gideon tun konnte, um ihm zu helfen, er würde es tun. Er mochte den stillen Riesen. Niemand war netter, keiner war fürsorglicher. Während Gideon sich von seinem Fußraub erholt hatte, war Amun derjenige gewesen, der ihm etwas zu essen gebracht, seine Verbände gewechselt und ihn nach draußen an die frische Luft getragen hatte.
Da er keine bessere Idee hatte, stellte Gideon sich neben Amun und klopfte dem großen Mann auf den Rücken. Amun sah ihn nicht an, doch auf seinen Lippen deutete sich ein Lächeln an.
„Schnell, irgendjemand muss mich ablenken“, sagte Anya. „Mir ist langweilig.“
Alle stöhnten. Eine gelangweilte Anya war eine streitlustige Anya. Aber Gideon kannte die Wahrheit. Er konnte fast immer noch den sorgenvollen Tonfall der Göttin hören. Ihr gefiel es nicht, von Lucien getrennt zu sein.
„Wir können auf keinen Fall ‚Wie werde ich die Jäger töten‘ spielen“, sagte er.
„Ich ersteche sie“, erwiderte Reyes sofort, und seine dunklen Augen glühten wild.
„Ich erschieße sie“, meinte Strider. „Und ziele dabei auf ihre Eier.“
„Ich breche ihnen die Hälse“, erwiderte Anya und rieb sich die Hände, „und zwinge sie dann, dabei zuzusehen, wie ich ihnen die Eingeweide herausnehme.“ Das täte sie wirklich. Jeder, der Lucien bedrohte, bekam einen Platz auf ihrer Unbedingt-Foltern-Liste. „Du brauchst uns nicht zu sagen, dass du sie küssen wirst, Gideon. Das wissen wir schon.“
Die Krieger lachten im Chor.
Das hatte man also davon, wenn man nett zu Anya sein wollte. Gideon zeigte ihnen den gestreckten Mittelfinger.
„Ich weiß, was wir machen können“, meinte Reyes. Normalerweise hatte er in jeder Hand einen Dolch und schnitt sich, während er sprach. Aber heute nicht. Nicht solange er von Danika getrennt war. Das ist Schmerz genug, sagte er häufig. „Lasst uns wetten, wie Sabin mit der Harpyie vorankommt.“
„Der Mann hat Eier in der Hose, so viel steht fest“, erwiderte Strider. „Gwen ist hübsch, keine Frage, aber jeder, der einem die Kehle herausreißen kann …“ Er schauderte.
„He!“, unterbrach Anya ihn und sah ihn finster an. „Das war nicht Gwens Schuld. Nicht dass mich irgendwas an dem Gedanken stört, dass man einem Jäger die Kehle herausreißt. Aber nach allem, was ich gehört habe, hatte sie Angst. Und man jagt einer Harpyie keine Angst ein und lebt dann fröhlich weiter, um mit seiner Tat zu prahlen. Das ist gewissermaßen eines der ersten Dinge, die sie einem in der Götterschule beibringen. Die ganze Art ist von Natur aus gewalttätig. Ich meine, ihr habt doch Gwens Schwestern kennengelernt, oder?“
Jetzt schauderten alle.
„Sabin hat einfach nur verfluchtes Glück gehabt“, meinte Gideon.
Anya sah ihn an, doch auf einmal war ihr Blick wie verschleiert, so als schaute sie durch ihn hindurch. Ein energiegeladenes Brummen ging von ihr aus, legte sich um ihn, drückte zu. Als sie ihn fixierte,
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