Die Herren der Unterwelt 04 - Schwarzes Flüstern
Die zwei könnten sich in Gillys Appartement vergnügen. Das war der sicherste Ort, den Aeron kannte. Denn Torin hatte das gesamte Gebäude wie ein Hochsicherheitsgefängnis verdrahtet, um Danikas Freundin zu beschützen. Aeron hatte es nicht gefallen, als sie aus der Burg ausgezogen war – sie war zu zerbrechlich und zu schreckhaft –, doch die Krieger hatten sie total verängstigt, und selbst mit der Zeit hatte sie sich nicht an sie gewöhnt. Aeron wollte Gilly in das Cafe auf der anderen Straßenseite einladen und ihr Gesellschaft leisten, während sie warteten.
Der perfekte Plan. Na ja, wenigstens für seine Verhältnisse.
Wenn Paris und die Harpyien sich doch nur verstanden hätten. Aber Promiskuität hatte nur einen einzigen Blick auf die schönen Frauen geworfen und sie dann als „zu viel Mühe kostend“ erachtet. Aeron glaubte, dieses Gefühl zu kennen. Er selbst hatte seit mehr als hundert Jahren keine Frau mehr gehabt, und er würde auch für die nächsten hundert keine haben. Wenn überhaupt jemals wieder. Es war so, wie er zu seiner süßen Legion gesagt hatte: Sie waren einfach zu schwach und zu leicht zu zerstören, während er höchstwahrscheinlich für immer und ewig leben würde.
Er war sich nicht sicher, ob er es überleben würde, noch jemandem, den er liebte, beim Sterben zuzusehen.
Apropos: War Legion in die Hölle zurückgekehrt? Schwebte sie in Gefahr? Sie war nur glücklich, wenn sie bei Aeron war, und er fühlte sich nur dann vollständig, wenn sie auf seinen Schultern hockte.
Der sogenannte Engel hatte ihn seit Tagen nicht mehr besucht. Hoffentlich war sie für alle Zeiten verschwunden, sodass Legion bald zurückkam.
Er lehnte sich nach links und wendete sanft. Rosafarbene und violette Streifen schmückten den Himmel während eines vollkommenen Sonnenuntergangs. Der Wind peitschte ihm über den Kopf – sein Haare waren zu kurz, als dass er sie hätte zerzausen können. Doch Paris verpasste ihm eine Ohrfeige nach der nächsten. Der Krieger hing an seiner Brust und hatte die Arme fest unter den Flügeln um seinen Rücken geschlungen.
Aeron flog tief und im Schatten, außer Sichtweite.
„Ich will das nicht machen“, protestierte Paris.
„Schade. Du brauchst es nämlich.“
„Bist du neuerdings mein Kuppler?“
„Wenn es sein muss. Sieh mal, du hast eine Frau gefunden, mit der du mehr als einmal ins Bett steigen konntest. Du findest bestimmt noch eine, mit der das klappt. Wir müssen nur nach ihr suchen.“
„Arschloch! Das ist, als würdest du einem Mann, dem der Arm abgehackt wurde, sagen, dass du ihm einfach den Arm eines anderen annähst. Aber es wird nicht dasselbe sein. Er wird weder die richtige Farbe haben noch die richtige Länge. Es wird niemals so perfekt sein wie mit dem anderen.“
„Dann werde ich Cronus darum bitten, Sienna zurückzubringen. Du hast gesagt, ihre Seele ist im Himmel, oder?“
„Ja“, antwortete Paris mürrisch. „Er wird Nein sagen. Er sagte, ich hätte die Wahl, und wenn ich sie nicht wählen würde, würde er dafür sorgen, dass sie nie zur Erde zurückkehrt. Wahrscheinlich hat er sie schon längst getötet. Zum zweiten Mal.“
„Ich kann mich in den Himmel schleichen und nach ihr suchen.“
Lange schwieg Paris, fast so, als würde er diese Möglichkeit tatsächlich in Erwägung ziehen. „Man könnte dich einfangen und einsperren. Dann wäre mein Opfer umsonst. Also …vergiss Sienna einfach.“
Das Problem war nur, dass Aeron sie nicht vergessen konnte, ehe Paris es tat. Er musste es sich noch einmal reiflich überlegen, um dann zu entscheiden, wie er weiter vorging. Jetzt wusste er nur eines: Er wollte seinen Freund zurück. Den lachenden, sorglosen Krieger, der für jeden ein Lächeln parat hatte.
„In der Stadt ist heute ganz schön viel los“, sagte er in der Hoffnung, zu einem unverfänglicheren Thema zu kommen.
„Ja.“
„Was da wohl los ist?“ In der Sekunde, als er die Frage aussprach, verspürte er einen Stich der Furcht. Das letzte Mal, als so viel los gewesen war, waren die Jäger in die Stadt eingefallen. Aeron sah sich die Leute unter ihnen genauer an und suchte nach dem verräterischen Zeichen der Jäger: einem am Handgelenk eintätowierten Unendlichkeitszeichen. Doch die Leute trugen Uhren oder langärmlige Hemden, er konnte die Handgelenke nicht sehen. Auch wenn die Jäger stolz auf ihre Zeichen waren – es war gut möglich, dass sie angefangen hatten, sie zu verstecken oder sich an intimeren
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