Die Herren der Unterwelt 04 - Schwarzes Flüstern
versagte, sodass sie sich Gwen schnappen konnten. Und er zum Teufel hatte es nicht gewusst.
„Sabin?“
„Ja.“ Er lag auf dem Bett und hielt Gwen im Arm. Sie hatte aufgehört, vor Schmerzen zu stöhnen – wenigstens das. Mein Schützling, und ich habe sie im Stich gelassen. Schlimmer noch: Er hatte ihr versprochen, dass die Jäger ihr nie wieder wehtaten. Oder etwa nicht? Falls nicht, hätte er es versprechen sollen. Die Schuldgefühle fraßen ihn auf.
Hast du etwa weniger erwartet?
Zweifel hatte ihm unlängst seine finsteren Gedanken aufgezwungen und ließ keine Sekunde nach.
„Sabin.“
Er ballte die Hände zu Fäusten und sah Kane an, der im Türrahmen stand. Dunkles Haar, haselnussbraune Augen. Auf der linken Wange war ein weißer Streifen zu sehen. Vermutlich Mauerputz, dachte Sabin. Decken stürzten gern auf den Hüter des Unglücks herab.
„Alles okay?“
„Nein.“ Eigentlich sollte er den nächsten Schlag gegen seinen Feind vorbereiten. Er sollte bei seinen Männern sein und sich für die Schlacht bereit machen. Er sollte auf der Straße sein und jagen. Stattdessen konnte er sich kaum dazu aufraffen, sein Schlafzimmer zu verlassen. Wenn sein Blick nicht auf Gwen ruhte, wenn er nicht beobachtete, wie sich ihr Brustkorb hob und senkte, verlor er langsam den Verstand, und er war unfähig, Zweifel mit Logik abzuwehren.
Was zum Teufel war nur los mit ihm? Sie war doch nur ein Mädchen. Ein Mädchen, das er benutzen wollte. Ein Mädchen, das vermutlich im Kampf gegen seinen Feind starb – ein Mädchen, das er gebeten hatte, gegen seinen Feind zu kämpfen. Ein Mädchen, das er nicht haben konnte. Ein Mädchen, das er erst seit Kurzem kannte …
Dass ich jetzt bei ihr bin und auf sie aufpasse, heißt nicht, dass ich sie über meine Mission stelle, versicherte er sich. Sobald er sie ausgebildet hätte, wäre sie eine Killermaschine. Niemand könnte sie aufhalten. Deshalb war er hier, war er unfähig, sie zu verlassen, und wartete so verzweifelt auf ihre Genesung.
„Wie geht es ihr?“, ertönte plötzlich eine Frauenstimme.
Wieder blinzelte er überrascht. Verdammt, seine Gedanken schweiften in letzter Zeit ziemlich häufig ab. Ashlyn und Danika waren wieder da – er hatte vergessen, wie oft sie schon hier gewesen waren – und standen nun neben Kane.
„Sie hält sich tapfer.“ Warum heilten ihre Wunden nicht, verflucht? „Wie war das Treffen?“ Wegen des Angriffs war es auf diesen Morgen verlegt worden.
Kane zuckte die Schultern, daraufhin sprühte die Glühbirne der Lampe in der Ecke Funken. Dann explodierte sie. Die Frauen kreischten und sprangen zur Seite. An solche Vorkommnisse gewöhnt, fuhr Kane fort, als wäre nichts geschehen: „Alle sind sich einig: Baden kann unmöglich überlebt haben. Jeder von uns hat seinen Kopf in den Händen gehalten, bevor wir ihn verbrannt haben. Entweder gibt sich irgendwer als Baden aus, oder sie haben das Gerücht in die Welt gesetzt, um uns von unserem Ziel abzulenken.“
Variante Nummer zwei ergab durchaus einen Sinn. Das sah den Jägern ähnlich. Weil sie nicht so stark waren wie die Krieger, waren ihre besten Waffen List und Tücke.
Danika ging langsam zu Gwen hinüber und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. Ashlyn stellte sich neben sie und nahm Gwens Hand, wahrscheinlich, um etwas von ihrer Kraft in den geschwächten kleinen Körper zu projizieren. Ihre Anteilnahme rührte Sabin. Sie kannten sie kaum, trotzdem sorgten sie sich um sie. Weil er sich sorgte.
„Galen weiß doch, dass wir wissen, dass er der Anführer der Jäger ist“, sagte er an Kane gewandt. „Warum hat er nicht wieder angegriffen?“
„Vermutlich heckt er einen Plan aus. Sammelt seine Kräfte. Verbreitet Lügen über Baden, um uns zu verwirren.“
„Ich werde ihn umbringen.“
„Vielleicht schon eher, als du denkst. Ich habe ihn letzte Nacht in meinen Träumen gesehen“, warf Danika ein, ohne aufzusehen. „Er war mit einer Frau zusammen. Die Szene war so echt, dass ich sie heute Morgen nach dem Aufwachen gemalt habe. Möchtest du das Bild sehen?“
Arme Danika. Sie wurde fast jede Nacht von grausigen Visionen heimgesucht. Dämonen, die Seelen quälten, Götter, die gegen andere Götter kämpften, geliebte Personen, die starben. Feinfühlig, wie sie als Mensch nun mal war, mussten die entsetzlichen Dinge, die sie beobachtete, sie völlig verängstigen, doch sie ertrug sie mit einem Lächeln. Immerhin hatten sie ihrem Mann geholfen.
Was Gwen wohl täte, wenn sie
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