Die Herren der Unterwelt 05 - Schwarze Leidenschaft
und hätte gern gehorcht, doch wieder konnte er nicht. Die Finsternis war zu klebrig, schlang sich um ihn, hielt ihn fest und erstickte ihn fast. Und dann, als seine Verbindung zur wachen Welt ganz und gar abriss, erstickte er tatsächlich. Ich kriege keine Luft…
Die Finsternis teilte sich, und gierig atmete er ein – nur um sogleich nach hinten zu stolpern. Hölle, nein. Eine Spinne!
Beruhig dich nicht, befahl sein Dämon ihm.
Du wirst dich nicht beruhigen! Keuchend und bemüht, nicht wie ein Mädchen zu kreischen, presste er sich gegen die Wand. Die monströse Spinne folgte ihm. Ihre achthundert Beine stachen in den Boden, und ihre schwarz glänzenden Knopfaugen bohrten sich direkt in seine Seele.
Feind, sagte Lügen. Was bedeutete: Freund.
Wohl kaum. Mist, Mist, Mist. Seine Gehirnzellen, die alle in diesem fiesen Dunst der Panik gefangen waren, gaben ihm plötzlich – in hochauflösenden Bildern – einen Ausblick darauf, wie diese Kreatur ihn zum Abendessen verspeisen würde. Lieber würde er sich anzünden lassen. Lieber würde er sich aufknüpfen lassen. Hölle, lieber würde er sich ausweiden lassen.
„Ich werde so gut schmecken“, sagte er verzweifelt. Die Wahrheit war, dass er scheußlich schmecken würde, doch selbst in seinen Träumen konnte er nicht sagen, was er eigentlich meinte. Zumindest ging er davon aus. Versucht hatte er es noch nie. Und das würde er auch nicht. Immerhin könnten die Konsequenzen genauso verheerend sein wie im realen Leben: Schmerzen, Schmerzen und noch mal Schmerzen.
Die Erinnerung an seine letzte Begegnung mit der Wahrheit war ihm noch lebhaft im Gedächtnis. Vor einigen Wochen hatte er einem Jäger gesagt, was er wirklich fühlte – Hass – und was er wirklich tun wollte – verletzen, quälen, töten. Und alles nur, weil er, der eine Lüge schon aus ein paar Tausend Meilen Entfernung erkannte, durch einen Trick hinters Licht geführt worden war. Er war dem Irrglauben erlegen, Sabin, Hüter von Zweifel, sei durch die Hände der Jäger gefallen. Dumm von ihm. Doch als die qualvolle Strafe für seine wahren Worte ihn durchfuhr, hatte er gedacht: Jetzt kommt es auf ein bisschen mehr auch nicht mehr an und sich freiwillig für die Folter der Jäger angeboten, um seine Freunde davor zu bewahren.
An jenem Tag hatte er seine Hände an eine Metallsäge verloren. Jetzt waren dort nur Stümpfe mit ein paar Fingern. Sogar in seinen Träumen. Deshalb konnte er sich auch nicht angemessen gegen Mr Hungrig verteidigen – der ihn immer noch beobachtete, als wäre er ein saftiges Steak, während er von einer Ecke des Traums in die andere stolperte.
Diese Ecken kamen jetzt immer näher, der Raum wurde immer kleiner.
Hölle. Nein. „Komm näher!“ Bleib mir vom Leib! „Du willst mich doch.“ Du willst mich doch gar nicht.
Beruhig dich nicht, wiederholte Lügen.
Er hatte keine Zeit, sich mit dem merkwürdigen Verhalten seines Dämons zu beschäftigen. Plötzlich zuckte ein dürres haariges Bein nach vorn. Die Kralle am Ende war scharf wie eine Rasierklinge und schlitzte ihm den Oberschenkel auf. Vielleicht war sie dazu noch mit Gift getränkt, denn der stechende Schmerz, der ihn kurz darauf durchfuhr, zwang ihn in die Knie. Seine Muskeln krampften sich so fest um seine Knochen, dass sie sie beinahe brachen.
„Mach das noch mal“, keuchte er. Ruhe, halt einfach die Klappe! Er verachtete seinen Dämon nur selten. Meistens mochte er den Mistkerl sogar. Dann war er froh, wegen seines kleinen bösen Geistes ein stärkerer und härterer Soldat zu sein. Aber nicht jetzt. Jetzt wünschte er diese götterverdammte Spinne einfach nur ins ewige Fegefeuer.
Warum er solche Angst vor Spinnen hatte, wusste er nicht. Die Angst war einfach immer da gewesen.
Noch ein Zucken. Noch ein Schnitt. Diesmal erwischte das Monstrum ihn am Rücken, als er versuchte, sich aus der Bahn zu drehen. Der Schmerz breitete sich blitzschnell aus, wieder verkrampften sich seine Muskeln. Und dieses Mal brachen die Knochen in seinem Arm tatsächlich.
„Noch mal“, wiederholte er. Wie Pfeile schössen die Worte zwischen seinen aufeinandergebissenen Zähnen hervor. „Noch mal.“
Beruhig dich nicht!
Die Spinne stand reglos vor ihm. Nur ihren widerwärtigen Kopf neigte sie zur Seite. Sie beobachtete ihn, musterte ihn.
Verdammt! Er konnte nicht einmal mehr wegkriechen, war auf einmal wie festgenagelt.
„Bleib hier!“ Verschwinde! Sein schwerer Atem hallte von den viel zu nahen Wänden wider.
„Warum
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