Die Herren der Unterwelt 05 - Schwarze Leidenschaft
Kopf immer wieder unter Wasser gedrückt und sie gezwungen hatte, einen Mundvoll nach dem anderen einzuatmen. Jetzt war sie von diesen eiskalten Tropfen bedeckt. Sie hielten sie wach und sorgten dafür, dass sie jedes bisschen Schmerz spürte.
Das hier ist nicht so schlimm wie die Hölle, sagte sie sich. Du wirst es überleben. Du musst es überleben.
„Galen hat dein Wohlergehen in meine Hände gelegt“, sagte Stefano. Sein Gesicht war rußverschmiert, und an einigen Stellen seines Körpers hatten sich Brandblasen gebildet. „Er hat mich explizit darum gebeten, dich zu verhören. Und das werde ich auch tun. Versprochen. Das hier haben deine Freunde mir angetan, siehst du? Sie haben mich und das, was zu meinem Zuhause geworden war, verbrannt. Ich bin den Flammen nur knapp entkommen, und jetzt habe ich einen gut bei ihnen. Oder auch zwei.“
Schaudernd wandte sie den Blick von seinen irren Augen ab. Sie befand sich in irgendeinem Lagergebäude. Einem Lagergebäude mit Betonfußböden und Eisenwänden. Das Zimmer, in dem sie gerade saß, war klein. Auf einem Tisch stapelten sich diverse Messer, die dieses Dreckschwein mit Sicherheit jeden Moment benutzen würde. Daneben stand ein Wasserkübel, der tief genug war, um sie darin zu ertränken, und mit dem sie schon häufiger in Berührung gekommen war, als sie zählen konnte, und außerdem der Stuhl, auf dem sie saß.
„Bist du jetzt bereit zu reden, Engel?“ Wie ruhig er auf einmal klang. So gar nicht wie der grausame Mann, der er war.
Sie brauchte ihm nur zu sagen, was er wissen wollte, und würde den Herren damit das Leid ersparen, einen Krieg zu verlieren, dachte sie. Dann biss sie sich auf die Zunge. Nein. Nein! Galen musste ganz in der Nähe sein. Anscheinend spielte sein Dämon Hoffnung mit ihr, denn dieser Gedanke war nicht ihrem eigenen Kopf entsprungen.
Bleib stark.
„Du brauchst mir nur zu sagen, wo die Herren den Käfig versteckt haben, und das Ganze hier ist sofort vorbei.“ Stefano schenkte ihr ein freundliches Lächeln. „Das möchtest du doch bestimmt, hm?“
Wollte sie, dass es aufhörte? Ja. Wer hätte das nicht gewollt? Doch wenn sie ihm erst gesagt hätte, was er wissen wollte, würde er sie umbringen. Vergiss das nicht. Sie presste fest die Lippen aufeinander.
Er hob eine Feder auf, die zu Boden gefallen war, als Galen sie abgesetzt hatte, und fuhr mit der Spitze an ihrem Wangenknochen entlang. „Der Käfig. Wo ist er? Sag es mir. Bitte. Ich möchte dir nicht weiter wehtun.“
Du weißt, was du zu tun hast, knurrte plötzlich eine Stimme in ihrem Kopf. Weder Luzifer noch Galen. Schon die dritte an diesem Tag. Dieses Mal musste sie einen Schluchzer der Erleichterung unterdrücken. Lysander. Er war hier. Sie konnte ihn weder sehen noch spüren, doch sie wusste, dass er da war.
Sie war in diesem Albtraum nicht länger alleine.
„Engel“, keifte Stefano. Unmittelbar vor ihr ballte er die Faust, um ihr noch einmal auf den bereits gebrochenen Arm zu schlagen. Die Feder war wieder zu Boden gesegelt und verhöhnte sie von dort aus mit ihrer Weichheit. „Rede endlich.“
„Ich weiß nicht … Ich weiß nicht, wo er ist“, keuchte sie. Eine Lüge. Nie hätte sie gedacht, dass sie einmal dankbar wäre, lügen zu können, doch jetzt war sie es. Natürlich bedeutete das auch, dass sich der Mensch dazu entscheiden könnte, ihr nicht zu glauben.
Olivia, sag ihm, was er wissen will, und ich bringe dich nach Hause.
Oh, sie wusste, dass sie gehen könnte. Sie wusste, dass sie wie geplant in den Himmel zurückkehren und all dem Schmerz und der Erniedrigung entkommen könnte. Doch sie hatte Aeron ein Versprechen gegeben, und das wollte sie auch halten. Sie musste ihm Auf Wiedersehen sagen.
„Doch, du weißt es“, sagte Stefano. „Du bist wochenlang durch die Burg geschlichen, ohne dass jemand deine Anwesenheit bemerkt hat. Du musst ihn gesehen haben.“
Olivia, bitte. Komm, mit mir zurück. Ich halte es nicht aus, dich so zu sehen. Ich halte die Hilflosigkeit nicht aus – zu wissen, dass ich dich retten kann, aber nicht handeln zu können.
„Ich kann nicht“, sagte sie zu ihm.
Stefano schlug zu, und ein leiser Schrei fand seinen Weg nach draußen. Sie sah Sterne, und ein überwältigender Schwindel rauschte von einer Schläfe zur anderen durch ihren Kopf.
Olivia!
„Ich kann nicht“, sagte sie noch einmal, während sie nach Luft rang.
Klatsch. „Doch, du kannst“, erwiderte der Mensch, in dem Glauben, sie hätte mit ihm
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