Die Herren der Unterwelt 05 - Schwarze Leidenschaft
gesprochen. „Du zollst dem, was ich mit dir anstellen kann und werde, nicht genügend Respekt, und das verletzt meine Gefühle.“
In ihrem bereits aufgeplatzten Mund breitete sich der stechende Schmerz weiter aus.
Olivia, knurrte Lysander wieder. Das ist doch Wahnsinn.
Nichts ist eine solche Qual wert. Komm nach Hause. Bitte. Ich kann dir nicht mehr helfen, bis du es tust.
„Deine Frau … hätte das … nicht gewollt.“ Diesmal sprach sie mit Stefano und ignorierte Lysander. Sie war froh, dass er hier war, natürlich. Aber in dieser Sache würde sie nicht nachgeben.
Durch ihr wochenlanges Spionieren wusste Olivia, dass Stefanos Ehefrau Darla Selbstmord begangen hatte. Wegen Sabin, dem Hüter des Dämons Zweifel, und wegen Stefano – wegen der beiden Männer also, die sie geliebt hatten. Sie war in eine Zerreißprobe zwischen den beiden geraten, und der Tod war für sie der letzte Ausweg gewesen.
Stefano kniff die Augen zusammen. „Sie wurde hereingelegt. Die Dämonen haben sie getäuscht, sodass sie sie am Ende mochte.“ Er beugte sich herunter, legte die Handflächen auf ihre gefesselten Arme – auf ihre gebrochenen Knochen – und drückte zu. „Wenn sie bei Sinnen gewesen wäre, hätte sie sogar gewollt, dass ich noch mehr mache.“
Noch ein Schrei entfuhr ihr. Der beißende Schmerz zuckte durch ihren gesamten Körper, ehe er sich in ihrem Bauch sammelte und sie zu verzehren drohte.
Olivia!
„Aeron wird mich mehr hassen als je zuvor, wenn ich ihm einen deiner Finger schicke“, sagte Stefano wieder unheimlich ruhig. „Dann wird er kommen, um dich zu retten, und am Ende wird er für dich sterben. Bist du wirklich bereit, so einen hohen Preis zu zahlen? Sag mir, wo der Käfig ist, und ich werde Aeron verschonen.“
Da war sie wieder: die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Wenn sie Stefano sagte, was er wissen wollte, käme sie frei, könnte zu Aeron zurückkehren, und sie könnten bis in alle Ewigkeit glücklich zusammenleben. Sie könnten miteinander schlafen und sogar eine Familie gründen.
Wusste Galen, was sein Helfer tat, um an die Antworten zu gelangen, nach denen er suchte? Interessierte es ihn überhaupt? War ihm klar, wie sich seine Nähe auf sie auswirkte?
Olivia, verflucht noch mal. Du brauchst es ihm weder zu sagen, noch musst du das aushalten. Komm einfach nach Hause.
Sie atmete tief ein und aus. Sie bekämpfte sich selbst und ihre Sehnsüchte. Bekämpfte diese alberne Hoffnung. Bekämpfte den Schmerz. Dann öffnete sie den Mund.
Vielleicht würde sie nie erfahren, was sie hatte sagen wollen. Denn Stefano schlug sie, und sie brachte kein einziges Wort mehr heraus. Ihr wurde schwarz vor Augen … sie fiel… sie war wunderbar verloren …
„Es wird eine Weile dauern, und womöglich habe ich keinen Erfolg.“
Aeron musterte seinen Freund. Er konnte sich kaum noch beherrschen. Am liebsten hätte er diese bulligen Schultern gepackt und geschüttelt. Luciens verschiedenfarbige Augen – eins war braun, das andere blau – sahen ihn grimmig entschlossen an. „Es ist mir egal, wie lange es dauert. Tu es einfach.“
Am liebsten hätte er sich selbst geschüttelt, weil er nicht eher daran gedacht hatte.
Jeder hier dachte, Olivia sei in den Himmel zurückgekehrt, genau wie Legion es behauptet hatte. Verdammt, sie alle hatten das gesehen, was Torins Kamera aufgezeichnet hatte. Das Uberwachungsmaterial zeigte, wie sie vom Balkon seines Zimmers sprang.
Diese Szene wiederholte sich wie in einer Endlosschleife in seinem Kopf. Olivia hatte in seinem Zimmer gestanden und in die Nacht geblickt. Sie war erstarrt, hatte sich umgedreht. Dann hatte sie sich erneut umgedreht und war nach draußen gegangen, wobei sich ihre Lippen bewegten, als spräche sie mit irgendwem – Legion meinte, sie hätte vor sich hin gemurmelt, wie aufgeregt sie sei, weil sie bald ihre Freunde wiederträfe. Doch auf ihrem Gesicht hatte sich das Grauen gespiegelt. Dann war sie gesprungen. War gefallen und gefallen und dann aufgestiegen. Ohne ihre Flügel.
Wie hätte sie ohne Flügel fliegen sollen? Warum hatte sie Angst gehabt?
Die anderen vermuteten, das Grauen entstammte ihrer Furcht vor dem Ungewissen, da sie nicht wusste, wie die Engel sie empfangen würden. Aeron wusste es besser. Davor fürchtete Olivia sich nicht. Sie hatte ihm selbst gesagt, dass die Engel nachsichtig waren – tolerant und geduldig war ihre genaue Wortwahl gewesen – und dass sie sie mit offenen Armen empfangen würden.
Die einzig
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