Die Herren der Unterwelt 05 - Schwarze Leidenschaft
überhaupt weiß, was er getan hat. Flehentlich breitete sie ihre Arme aus. Wenn ihr ihm doch nur gestatten würdet, mich zu sehen und meine Stimme zu hören – dann könnte ich mit ihm sprechen und ihm erklären …
Dann würden wir ein uraltes Gesetz ignorieren.
Das stimmte. Glaube fußte nun einmal auf dem Prinzip, an etwas zu glauben, das man nicht sehen konnte. Nur der Elite der Sieben war es gestattet, sich auf der Ebene der Sterblichen zu zeigen, da ihre Mitglieder manchmal mit der Aufgabe betraut waren, Menschen für ihren Glauben zu belohnen.
Es tut mir leid, sagte sie mit gesenktem Kopf. Ich hätte euch nicht um so etwas bitten sollen.
Es sei dir vergeben, Kind, erwiderte der Rat einstimmig.
Vergebung wurde hier immer so einfach erteilt. Außer wenn jemand einen Befehl ignorierte. Armer Aeron, hatte sie gedacht, während sie Danke gesagt hatte.
Es war nur … sie fand Aeron anziehend. Obwohl jeder Zentimeter seiner tätowierten Haut den Dämon erkennen ließ, der er war, hatte der erste Anblick seines Körpers Sehnsüchte in ihr geweckt, die zu stark gewesen waren, um sie ignorieren zu können. Wie es wohl wäre, ihn zu berühren? Wie es wohl wäre, von ihm berührt zu werden? Ob sie endlich das Glück erfahren würde, das sie anderen schenkte?
Zuerst hatten diese Gedanken sie beschämt. Doch je besser sie Aeron kennengelernt hatte, umso stärker war das Verlangen geworden – bis sie an nichts anderes mehr hatte denken können, als zu fallen und bei ihm zu sein.
Am Ende hatte sie sich gesagt, dass ihre starken Gefühle für ihn gerechtfertigt waren, weil er – entgegen seiner äußeren Erscheinung und entgegen der Ansichten des Rates – aufrichtig und gut war. Und wenn er aufrichtig und gut war, konnte sie die gleichen Dinge tun, die er tat, und dabei auch aufrichtig und gut sein. Mehr noch: Es war in Ordnung, weil er, durch und durch Beschützer, für ihre Sicherheit sorgen würde. Er würde sie vor anderen und vor sich selbst schützen.
Wenn er jedoch ums Leben käme, würde sie den Rest ihres ewigen Daseins damit verbringen, über die unbeantwortete Frage zu grübeln, wie … herrlich es hätte sein können, alles an ihm zu entdecken. Sie würde es bereuen. Sie würde es betrauern.
Andererseits – ihn eigenhändig zu retten hieße, alles aufzugeben, was sie kannte; so hatte der Rat es verkündet. Sie würde nicht nur ihr Zuhause und ihre Flügel verlieren, sondern wäre zudem gefangen in einer Welt, in der Vergebung nicht immer gewährt wurde, in der Geduld Mangelware war und Unhöflichkeit zum Alltag gehörte.
Er ist dein erstes Ziel, und deshalb verstehen wir dein Zögern, Olivia. Aber du kannst nicht zulassen, dass dein Zögern dich ruiniert. Du musst es überwinden, sonst wirst du für immer und ewig dafür bezahlen. Wie entscheidest du dich?
Das war der letzte verzweifelte Versuch des Rates gewesen, sie zu retten. Dennoch hatte sie das Kinn gehoben und die Worte ausgesprochen, die seit all den Wochen in ihr brannten – die Worte, die sie hierher geführt hatten. Sie sprach, ehe sie aus Angst ihre Meinung ändern konnte.
Ich entscheide mich für Aeron.
„Frau?“
Die harte Stimme riss Olivia aus der Vergangenheit; sie war tiefer und voller als jede andere Stimme, die sie kannte, und … sie brauchte diese Stimme so sehr. Olivia blinzelte, und allmählich nahm sie ihre Umgebung wahr. Ein Schlafzimmer, das sie in-und auswendig kannte. Geräumig, mit silbrigen Steinwänden, an denen Bilder über Bilder von Blumen und Sternen hingen. Der Boden war aus dunkel glänzendem Holz, auf dem ein flauschiger rosafarbener Teppich lag. Es gab eine Kommode, einen Waschtisch und ein Kleinmädchen-Sofa.
Viele hätten bei der Feststellung, dass dieser starke, stolze Krieger in einem derart femininen Zimmer wohnte, eine spöttische Bemerkung fallen lassen, doch nicht Olivia. Die Einrichtung bewies nur, wie sehr Aeron seine Legion liebte.
War in seinem Herzen überhaupt Platz für noch jemanden?
Ihr Blick blieb an ihm haften. Er stand immer noch neben dem Bett, auf dem sie lag, und sah mit … kein bisschen Zuneigung in den Augen auf sie hinab, wie sie enttäuscht feststellte. Doch wer konnte ihm das schon übel nehmen? Sie bot mit Sicherheit einen erbärmlichen Anblick. Die Tränen waren auf ihren Wangen getrocknet, wodurch ihre Haut spannte. Ihre Haare waren zerzaust und ihre Arme schmutzverschmiert.
Er hingegen sah umwerfend aus. Er war groß und so muskulös, dass einem das Wasser im Mund
Weitere Kostenlose Bücher