Die Herren der Unterwelt 05 - Schwarze Leidenschaft
hätte. Ich … ich würde gern hierbleiben“, platzte es aus ihr heraus. „Bei dir. Ich kann dir auch bei deinen häuslichen Pflichten helfen, wenn du magst.“ Sie hatte Aeron oft beim Saubermachen in der Burg beobachtet und gehört, wie er über die ihm zugeteilte Arbeit fluchte.
Er beugte sich herab, um ihre Hände loszubinden, und war dabei so vorsichtig, dass die Bewegung nur leise Schmerzen auslöste. „Ich fürchte, das ist nicht möglich.“
„Aber … warum denn nicht? Ich werde dir auch keine Scherereien machen, bestimmt nicht.“
„Du hast mir bereits Scherereien gemacht.“
Die emotionale Taubheit, die sie verspürt hatte, verebbte blitzschnell, und ihr Kinn begann erneut zu zittern. Er hat immer noch vor, mich loszuwerden. Angst, Verwirrung, Verzweiflung – alles prasselte gleichzeitig auf sie ein. Weil sie nicht wollte, dass Aeron es sah, vergrub sie das Gesicht tief im Kissen. Sein Eindruck von ihr war auch so schon schlecht genug.
„Frau“, knurrte er. „Ich habe dir gesagt, du sollst nicht weinen.“
„Dann hör auf, meine Gefühle zu verletzen.“ Der Baumwollstoff an ihren Lippen und, ja, auch ihre Tränen verwandelten ihre Worte in ein undeutliches Genuschel.
Sie hörte Kleidung rascheln, als verlagerte er sein Gewicht von einem Bein auf das andere. „Deine Gefühle verletzen? Du kannst froh sein, dass ich dich nicht umgebracht habe. Du hast keine Vorstellung davon, wie viel Kummer du mir in den letzten Monaten bereitet hast. Ich hatte keinen Schimmer, wer mich verfolgte oder warum. Meine treue Begleiterin konnte nicht bei mir bleiben, sondern musste an einen Ort zurückkehren, den sie aus tiefster Seele hasst.“
Einen Ort, den sie verdiente, auch wenn Aeron versucht hatte, Olivia vom Gegenteil zu überzeugen. Aber egal, wie einige der Herren so gerne sagten. „Tut mir leid.“ Trotz allem tat es ihr wirklich leid. Schon bald würde er alles verlieren, was ihm wichtig war, und keiner von ihnen beiden könnte irgendetwas dagegen unternehmen.
Hör auf, so zu denken, sonst fängst du gleich wieder an zu weinen, ermahnte sie sich.
Er seufzte. „Ich nehme deine Entschuldigung an, aber das ändert nichts. Du bist hier nicht willkommen.“
Er vergab ihr? Endlich, ein Schritt in die richtige Richtung. „Aber…“
„Du bist zwar gefallen, aber du bist immer noch unsterblich. Oder?“ Er gab ihr keine Zeit zu antworten. Ihre Robe hatte sich von allein wiederhergestellt, also musste es für ihn nur logisch erscheinen, dass auch Olivia sich aus eigener Kraft erholen würde. „Morgen früh wird es dir wieder gut gehen. Ich will, dass du diese Burg dann verlässt.“
4. KAPITEL
Aeron schritt in dem langen Flur auf und ab. Das tat er nun schon seit Stunden, und es sah nicht danach aus, als könnte er in nächster Zeit eine Pause machen. Irgendjemand musste die Engelsfrau bewachen. Nicht um sie vor Eindringlingen zu beschützen, sondern um sie daran zu hindern, in die Burg vorzudringen. Nur für den Fall, dass sie hier war, um herumzuschnüffeln und Gespräche zu belauschen, die nicht für ihre Ohren bestimmt waren.
Auch wenn dieser Gedankengang nicht besonders viel Sinn ergab, würde er dennoch daran festhalten. Natürlich hätte sie als Engel, unsichtbar und unverwundbar, längst irgendetwas mit angehört haben können, das sie nicht hätte hören dürfen. Aber jetzt war sie verwundbar, und die Jäger könnten sie eines Tages entführen und benutzen, um seinen Freunden zu schaden.
Er ballte die Hände zu Fäusten und zwang sich, jeden Gedanken an eine gefolterte Olivia und den Tod seiner Freunde zu verdrängen, bevor er ausrastete und die Wand in Stücke schlug. Oder einen seiner Freunde zu Brei.
Außerdem erwartete ein Teil von ihm, dass Olivia versuchen würde, aus seinem Zimmer zu fliehen und nach Legion zu suchen, sobald es ihr gut genug ginge – was jetzt jeden Moment der Fall sein musste. Obwohl Legion nicht da war, würde Aeron das nicht zulassen, selbst wenn Olivia als gefallener Engel bei ihrer Suche nicht mehr viel Schaden anrichten könnte.
Trotzdem. Womöglich verriete sie einem anderen Engel, was sie herausgefunden hatte – etwa dem von ihr angekündigten Nachfolger –, und dieser Engel könnte versuchen, die Sache zu erledigen.
Nicht mit mir, dachte er.
Seine Freunde hatten ihr Treffen bereits abgehalten – er hatte ihr Murmeln gehört, dann ihr Gelächter, dann ihre Schritte, als sie auseinandergingen –, aber er hatte keine Ahnung, was sie beschlossen
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