Die Herren der Unterwelt 05 - Schwarze Leidenschaft
machen soll.“ Torin kicherte.
Bevor Aeron antworten konnte, begannen verschiedene Bilder vor seinem geistigen Auge aufzuflackern. Bilder von Torin, der mit eifriger und entschlossener Miene ein Messer hob. Die Klinge versank in einem Körper … fuhr seinem Opfer mitten ins Herz … und kam feucht und rot wieder zum Vorschein.
Der Mann – ein Mensch –, der erstochen worden war, brach zusammen und blieb als regloses Häufchen am Boden liegen. Tot. Auf sein Handgelenk war eine liegende Acht tätowiert – das Unendlichkeitszeichen, Erkennungsmerkmal der Jäger. Torin hatte der Mann nichts getan, ihn nicht einmal bedroht. Die beiden waren sich vor rund vierhundert Jahren einfach nur über den Weg gelaufen, als Torin die Burg verlassen hatte, um endlich mit der Frau zusammen zu sein, in die er sich verliebt hatte. Doch dann hatte er das Zeichen erspäht und angegriffen.
In den Augen von Zorn war der Übergriff bösartig gewesen und ohne jeden Anlass erfolgt. In den Augen von Zorn verdiente der Täter es, bestraft zu werden.
Aeron hatte dieses Ereignis schon unzählige Male vor seinem inneren Auge gesehen und jedes Mal den Drang zu handeln unterdrücken müssen. Das war jetzt nicht anders. Seine Finger legten sich fest um den Griff eines Dolches an seinem Gürtel, und das Bedürfnis, seinen Freund genauso zu erstechen, wie der den Jäger erstochen hatte, war überwältigend.
Ich hätte genau dasselbe getan, schleuderte er seinem Dämon entgegen. Ich hätte diesen Jäger böswillig und ohne jeden Anlass getötet. Torin verdient keine Bestrafung.
Zorn knurrte.
Ruhig. Aeron ließ den Arm fallen. Seine Hand war leer.
„Wollte dein Dämon wieder auf mich losgehen?“, fragte Torin sachlich.
Seine Freunde kannten ihn wirklich gut. „Ja, aber keine Sorge. Ich habe den Bastard unter Kontrolle.“
Er meinte, den Dämon schnauben zu hören.
Je mehr er Zorn verleugnete, desto stärker würde sein Verlangen werden, jeden zu bestrafen – bis dieser Drang Aeron überwältigte und er ausrastete. Dann wäre es wieder so weit: Er flöge in die Stadt, niemand wäre vor ihm sicher, und die kleinsten Sünden würden grausam und gnadenlos bestraft.
Diese Rachefeldzüge waren der Grund dafür, dass Aeron seinen Körper über und über tätowiert hatte. Da er unsterblich war und übernatürlich schnell heilte, hatte er getrocknete Ambrosia unter die Tinte mischen müssen, damit die Bilder dauerhaft blieben, und es hatte wie Feuer gebrannt, als er sich das Gebräu unter die Haut gejagt hatte. Aber hatte es ihm etwas ausgemacht? Zum Teufel, nein. Jedes Mal, wenn er in den Spiegel sah, wurde er an das erinnert, was er getan hatte – und was er wieder tun würde, wenn er nicht aufpasste.
Aber vor allem sorgten die Tätowierungen dafür, dass die Menschen, die durch seine Hand gestorben waren, obwohl sie den Tod nicht verdient hatten, niemals vergessen würden. Manchmal half ihm das, mit seiner Schuld zurechtzukommen. Und manchmal half es ihm dabei, seinen irrationalen Stolz auf die Macht seines Dämons zu dämpfen.
„… sicher, dass du die Kontrolle hast?“
„Was?“, fragte er und tauchte auf aus dem Sumpf seiner Gedanken.
Wieder grinste Torin. „Ich habe dich gefragt, ob du sicher bist, dass du deinen Dämon unter Kontrolle hast. Du bist zwischendrin vollkommen abwesend, und deine Augen leuchten rot.
„Es geht mir gut.“ Im Gegensatz zu der von Olivia floss seine Stimme nicht über vor purer Wahrheit. Die Lüge war zu hören, für jeden, der lauschte.
„Ich glaube dir. Wirklich. Also … können wir jetzt unsere Unterhaltung fortsetzen?“, fragte Torin.
An welcher Stelle hatte er sich ablenken lassen? Ach ja. „Ich bin mir sicher, dass du nicht hergekommen bist, um mich mit unseren verliebten Freunden zu vergleichen. Ich bin wohl kaum so ein verknallter Vollidiot, wie die anderen es waren, als sie ihre Frauen in die Burg geschleppt haben.“
„Jetzt hast du auf einen Schlag meine nächsten drei Witze kaputt gemacht. Mit dir kann man einfach keinen Spaß haben.“
Genau das Gleiche hatte Aeron gedacht, als Olivia ihre drei Sehnsüchte offenbart hatte. Doch als er seine eigenen Gedanken aus Torins Mund hörte, ging ihm das auf unerklärliche Weise gegen den Strich. „Torin. Bitte komm zur Sache.“
„Also gut. Dein Engel sorgt bereits für die ersten Probleme. Einige von uns wollen sie loswerden, und einige wollen, dass sie bleibt. Ich gehöre zum Team ,Bleiben’. Ich schätze, wir müssen sie mit einer
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