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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Gwrgi. »Denn dies ist der Palast der Gnome, und keines Zwergen Meißel hat ihn je berührt. Diesen Palast hat mein Volk für mich geschaffen, in Jahrhunderten langer Arbeit, mit Geräten aus Stein. Und heute soll er seine Weihe erhalten.«
    Er führte sie durch das hohe Tor und hinein in eine Halle, mit Säulen bestanden, in deren gedrehten Schäften und figurierten Kapitellen sich Geschöpfe wanden, bei denen man nicht mehr sagen konnte, wo die Natur aufhörte und das Ornament begann. Der Boden war mit hellem und dunklem Marmor ausgelegt, in Flechtwerk und verschlungenen Bändern, die sich in den Wänden fortsetzten und alle zu der hohen Vierung hinwiesen.
    Dort war unter einem Baldachin aus weißem Marmor ein Tisch errichtet, wie alles andere aus dem lebenden Stein gehauen, mit Bänken zu beiden Seiten und einem Thron am Kopfende, den eine vielzackige Krone zierte. Auf diesem Thron nahm Gwrgi Platz und klatschte in die Hände.
    »Kommt, setzt euch zu mir. Möge das Fest jetzt beginnen!«
    Die bleichen Gestalten des Gefolges flossen zur Rechten und zur Linken an ihnen vorbei, um in den Apsiden des Gebäudes Aufstellung zu nehmen. Aller Aufmerksamkeit war auf die hohe Tafel unter der Vierungskuppel gerichtet.
    Burin war sein Unbehagen anzumerken, als er sich setzte. Gilfalas und Ithúriël schlossen sich ihm an. Gorbaz, der allein Platz für zwei in Anspruch nahm, setzte sich ihnen gegenüber. Auch Aldo sah sich ein wenig misstrauisch um, ehe er sich neben dem Bolg auf die Bank quetschte.
    Dann wurde das Festmahl aufgetragen. Und sah man von den Zuschauern ab und den gespenstischen Dienern, die sich Mühe gaben, so lautlos und unsichtbar zu erscheinen, wie sie es vermochten, so war das Mahl fürwahr eines Königs würdig.
    Zu trinken gab es nur Wasser, blauschimmernd und klar, aus den tiefen Quellen des Gebirges, dargereicht in Pokalen aus geschliffenem Kristall. Was an Speisen aufgetischt wurde, war ebenfalls in den Höhlen und Grotten unter dem Berg gezüchtet und herangereift: Pilze, gesotten und gebraten, die wie feinstes Kalbfleisch schmeckten; Gemüse aus Algen und Fungi, zart im Biss; Fisch aus unterirdischen Seen, so sanft gedünstet, dass er bei der Berührung zerfiel; und selbst Fleisch in kleinen, länglichen Stücken, das verführerisch duftete.
    »Hmm, das sieht aus wie Aal«, meinte Aldo und wagte einen Bissen. »Aber es hat Knochen«, stellte er dann fest.
    »Schlange«, meinte Gorbaz. »Gut.«
    Aldo ließ das Bratenstück unauffällig auf den Teller gleiten und widmete sich mit doppeltem Eifer seinen Champignons.
    »Musik!«, rief Gwrgi. »Ein Lied für meine Gäste.«
    Ein Spielmann trat vor, wenn man es so bezeichnen konnte. Es war ein Geschöpf, das kaum in der Lage war zu gehen und daher von zwei anderen gestützt werden musste. Dort wo seine Augen sein sollten, war nur ein einziger, lang gezogener Schlitz, hinter dem es weißlich aufblinkte.
    Man brachte ihm eine Harfe, die aus Fischbein geschnitzt war, mit Gold- und Silberdrähten bespannt. Der rechte Arm des Harfners war nur ein unförmiger Stummel, gerade lang genug, um das Instrument zu halten; dafür besaß seine linke Hand eine Vielzahl von schmalen, mehrgliedrigen Fingern, und als sie über die Saiten strichen, war der Klang so rein und schön wie eine Folge von Tropfen, die in kristallklares Wasser fallen. Und die Stimme, die aus dem unförmigen Schlund ertönte, war hoch und klar:
    Aus der Tiefe, aus den Schatten ist der Herr zurückgekehret,
Aus dem steinernen Gefängnis ward er wieder freigegeben.
Darum lasst uns nun frohlocken, lasset unseren Herrn uns preisen,
Lasst den süßen Sang erschallen, lasst das Lied der Harfe tönen.
    Was bring ich denn schon zuwege, als ein Sänger, als ein Kenner,
Nichts vermag ich zu bemeistern, mir ist keine Kraft verliehen;
Wenn der Schöpfer selber sänge, milden Mundes selber spräche,
Sangesmächtig würd er singen, würde sprechen, würde wirken,
    Würd er mir zwei Hände geben, mit fünf Fingern, wohlgestaltet,
Augen, meinen Herrn zu sehen, einen Mund, ihn zu lobpreisen,
Beine lang mit schlanken Fesseln, ihm zur Ehre hier zu tanzen,
Und ein Herz, ihm darzubringen, der zu uns sich hat geneiget.
    Herr der Tiefe, gib für immer, füg es weiter, wahrer Schöpfer,
Dass auf diese Art er lebe, weiterhin sich so verhalte,
Dass die Hoffnung uns verbleibe, unserm Leben Sinn zu leihen,
Solang unter uns verweilet aller Gnome edler König.
    Der Gesang endete mit einem Akkord. Einen Augenblick lang herrschte

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