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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Stimmen mit sich, Rufe, dann Schweigen.
    Im Inneren des Tores war nichts zu erkennen, nur ein amorpher Nebel, der waberte und wallte.
    »Nun«, sagte Kim, »das war’s.«
    Er trat in den Nebel hinein und war verschwunden.
    »Herr Kimberon!«, schrie Aldo. »Kim! Kim …« Er versuchte ihn noch am Kittel zu packen, aber da war bereits nichts mehr außer dem gestaltlosen Dunst, in dem seine Hand sich aufzulösen schien. Aldo schluckte noch einmal. Dann tat er mutig den nächsten Schritt, und der Nebel nahm ihn auf.
    Gwrgi war der Letzte. Einen Moment lang stand er noch vor der wabernden Öffnung. Er hob die Hände, als wollte er sich entschuldigen, anstelle eines Schulterzuckens, zu dem er nicht fähig gewesen wäre. Dann folgte er den beiden nach.
    Hinter ihm schloss sich das Tor.
*
    »Er ist abgehauen.«
    Fabian stand über Kims Schlafstelle gebeugt, wo nur noch die zerknüllten Decken lagen. Er hielt Kims Rucksack in der Hand, in dem sich kantig die Umrisse des Buches abzeichneten, welches der Ffolksmann die ganze Zeit mitgeschleppt hatte, ohne je Gelegenheit gehabt zu haben, auch nur einen Blick hineinzuwerfen.
    »Vielleicht ist er nur mal rausgegangen, um frische Luft zu schnappen«, meinte Burin.
    Ringsum erwachten die Menschen, reckten und streckten sich gähnend.
    »Hat irgendjemand Kimberon gesehen? Den kleinen Mann?«
    Das Mädchen, das neben Kim geschlafen hatte, schreckte hoch. »Wo ist er?« Sie starrte entgeistert auf die leeren Decken.
    Fabian beugte sich zu ihr. »Hast du irgendwas gesehen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe geträumt«, sagte sie. »Ich träumte, er sei weggegangen. Und jetzt ist er nicht mehr da.«
    »Aldo ist auch verschwunden«, rief Gilfalas von der anderen Seite der Halle.
    »Und Gwrgi«, meinte Ithúriël von dem Gang her, der nach draußen führte.
    »Verdammt«, sagte Fabian. So außer sich hatten ihn die anderen lange nicht mehr erlebt. »Er hat sich das zu sehr zu Herzen genommen, was Gwrgi gestern gesagt hat. Das mit dem Fluch des siebenten Rings. Ich hätte es mir denken müssen. Ich hätte –«
    »Komm«, unterbrach ihn Burin. »Kein Grund, sich aufzuregen, Euer Hoheit. Gehen wir rauf und schauen nach. Die Wachen müssen irgendetwas gesehen haben, wenn die drei an ihnen vorbeigeschlüpft sind. Oder es waren keine sehr guten Wachen«, fügte er grimmig hinzu.
    Aber die Wachen hatten nichts gesehen. Sie hatten auch nicht geschlafen – behaupteten sie zumindest. Und wie drei Leute, selbst solche von geringer Körpergröße, an ihnen vorbeigekommen sein sollten, ohne dass sie etwas gemerkt hätten, konnten sie sich nicht erklären.
    »Aber sie können sich doch nicht in Luft aufgelöst haben!«, meinte Fabian.
    »Ich denke«, sagte der Hohe Elbenfürst, der unbemerkt zu ihnen getreten war, »dass hier ein anderer Wille im Spiel ist und eine andere Macht. Wenn er also nicht hier ist, der Ringträger, fragen wir uns lieber, wohin hätte er gehen können – und wollen?«
    »Über den Steig?«, mutmaßte Burin. »Zumindest kennt Aldo den Weg über die Passhöhe und wieder hinunter.«
    »Aber wieso haben sie dann Gwrgi mitgenommen?«, wunderte sich Fabian.
    »Das Tor!«, rief Ithúriël aus. »Gwrgi war dort, zusammen mit mir. Sie suchen den Weg durch das Tor, um den Ring wegzubringen, fort aus der Reichweite des Schattenherrschers …«
    »Wer zweifelt hier an der Wachsamkeit der Zwerge?« Herr Bregorin kam die Treppe hinaufgestapft. Er trug bereits wieder seine Rüstung, als habe er sie nie abgelegt. Sein feuerroter Bart loderte wie eine Flamme.
    »Erzmeister«, sagte Burin anstelle einer Antwort, »gibt es von hier aus einen direkten Weg zu dem Tor, durch das Herrin Ithúriël und ihr Begleiter gekommen sind?«
    Bregorin runzelte die Stirn. »Es ist nicht weit von hier. Doch zwischen hier und dem Tor liegt der große Gletscher. Den muss man umgehen, sonst gelangt man nicht dorthin. Wie Ihr wisst, Herrin«, fügte er mit einer Verbeugung gegenüber Ithúriël hinzu. »Denn sonst hätten Euch meine Männer nicht so weit von hier aufgegriffen.«
    »Kann man das Tor von hier aus sehen?«, fragte Gilfalas.
    »Kommt«, sagte Bregorin. »Ich zeige es Euch.«
    Begleitet von den beiden Zwergenwachen machten sie sich auf in Richtung Passhöhe. Es war nur ein kurzer Weg, bis sie den Fuß des Gletschers erreichten, der sich fast bis an den Rand der Passstraße hinzog. Tückisch glitzernd erstreckte sich der verharschte Firn, vom Licht der aufgehenden Sonne in blutiges Rot getaucht.

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