Die Herren der Zeit
Meisters. Aber das Tor …«
Seine Stimme verwehte. Einen Augenblick lang sah man das nackte Gestein durch seinen Körper schimmern, dann war er wieder da.
»… es brachte mich zurück … zurück in der Zeit. Zu ihm. Ich habe ihm den Ring gegeben, versteht ihr? Es gibt keinen achten Ring der Macht. Es war immer nur der siebente … mein Ring. Der Schattenfürst hat ihn nun. Es tut mir so leid …«
Ithúriël kniete sich zu ihm nieder. Sie wollte ihn berühren, doch er hob die Hand, als wollte er sagen: Fass mich nicht an.
»Nun wird seine Macht grenzenlos sein. Nur der siebente Ring kann ihm Einhalt gebieten. Ihr müsst ihn wieder herbeischaffen. Ihr müsst …«
»Du meinst, wir sollten durch das Tor gehen?«, fragte Fabian.
»Nein! Der Weg durch das Tor führt in den Abgrund der Zeit. Geht nach Elderland …«
Die Gefährten sahen sich an. Jeder dachte dasselbe. Fabian war es, der ihren Gedanken aussprach.
»Aber Elderland gibt es nicht mehr!«
Wieder flackerte die kleine Gestalt am Fuße des Tores, flackerte auf und erlosch.
»Kim …!«
»Elderland wird es immer geben … im Geiste des Göttlichen Paares …«
Die Stimme verhallte im Wind.
»Es gibt einen Weg … wenn man nur fest daran glaubt …«
Sie starrten auf die Stelle, wo ihr Freund gelegen hatte – oder was immer von ihm den Weg zurück in diese Zeit gefunden hatte –, und keiner wusste mehr, was er sagen sollte. Ithúriël brach schließlich das Schweigen. »Was hat er damit gemeint: ›Es gibt einen Weg, wenn man nur fest daran glaubt.‹?«
Fabian blickte auf. Die Schatten unter seinen Augen lagen tief, und seine Wangen waren hohl, als sei er ein weiteres Mal durch das Tal der Schatten gegangen und als habe ihn diese Erfahrung um Jahre altern lassen.
»Ich weiß es nicht«, sagte er. »Aber der Weg durch das Tor ist uns versperrt. Doch ohne das Tor – wie sollen wir nach Elderland gelangen?« Verzweiflung sprach aus seinen Worten.
»Es reicht wohl nicht aus, wenn wir es uns nur fest genug wünschen«, meinte Burin.
»Vielleicht«, meinte Gilfalas, »hilft uns ja der Zauber der Ringe.«
»Nein«, sagte Ithúriël. »Das reicht nicht aus. Weder verzweifelte Hoffnung noch der bloße Wunsch, noch irgendein Zauber. Habt ihr nicht gehört, was euer Freund gesagt hat?« Ihre Gestalt war wie von Licht durchflutet, und sie sprach mit einer Stimme, in der mehr lag als nur die Worte einer Elbenmaid. »Tausend Jahre lang hat es gedauert, bis der Plan des Hohen Elbenfürsten in Erfüllung ging, und doch hat der Glaube sich am Ende als wahr erwiesen. Ihr müsst daran glauben. Nicht mehr, nicht weniger. Glaubt, und es wird sich erfüllen.«
Fabian streckte die Hand aus. Der Ring an seiner Hand glomm in einem grünen Feuer. Burin legte die seine darauf, eine Zwergenhand, fest und stark und von der roten Glut seines Ringes erleuchtet. Gilfalas schob seine schmale Hand darüber, und der blaue Glanz seines Ringes mischte sich mit dem der anderen.
»Ich glaube an Elderland«, sagte Fabian.
»Dann auf …«, meinte Burin.
»… nach Elderland«, vollendete Gilfalas.
Einen Augenblick lang erstrahlten ihre Gestalten in einem Licht, das alle Farben des Regenbogens in sich vereinigte.
Dann stand Ithúriël allein auf dem hohen Plateau.
Der Glanz war aus ihr gewichen. Sie war nun nicht mehr als eine zierliche Elbenfrau, in helles Leder gekleidet, ohne irgendetwas Übernatürliches in ihrer Gestalt, das sie auszeichnete oder hervorhob. Der Wind, der vom Gletscher heraufstrich, war kalt und zerrte an ihrer Kleidung. Die Sonne, inzwischen hoch am Himmel, brannte gleißend aus weiter Ferne auf die hohen Gipfel hernieder und auf das weite Land.
Ithúriël ließ den Blick nach Norden schweifen. Jenseits des Gletschers, der in der Sonnenglut dampfte, erfüllte Rauch und Brand den Himmel, beschmutzte das reine Blau. Sie seufzte. Dann wandte sie sich entschlossen um und legte ihre Hand auf die kühle, glatte Fläche des Weltentores.
»Tu dich auf!«, sagte sie.
Die ganze Welt war ein Gewirr von Felsen und endloser, wabernder Graue.
»Herr Kimberon? Herr Kim?«
Keine Antwort. Nicht einmal ein Echo. Der Nebel verschluckte jedes Geräusch. Aldo wusste nicht, wie lange er bereits durch das Felslabyrinth geirrt war. Er hatte jedes Zeitgefühl verloren und wusste nicht einmal mehr, in welche Richtung er ging. Vielleicht bewegte er sich seit ewigen Zeiten schon im Kreis und würde niemals an irgendein Ziel gelangen. Würde endlos so weiter wandern, bis er
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