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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Wurzeln und Steine. Zwerge kollerten wie Felsbrocken zu Tal.
    Nur einer stand noch aufrecht.
    Seine Kleidung hing in Fetzen, seine Rüstung war zerschrammt und verdellt, er blutete aus vielen Wunden. Doch der Große Bolg weicht vor keiner Macht der Welt. Er ist der Fels, an dem sich die Gezeiten brechen; er ist der, zu dem die minderen Kreaturen aufschauen. Der Stein, den die Bauleute verwarfen, er ist zum Pfeiler geworden, auf dem die Welt sich dreht.
    »Apáge, Ouroboros!« , rief Gorbaz in der Sprache, die noch älter ist als die der Legionen und der Gelehrten der Menschheit. »Weiche hinfort, du Schwanzbeißer, du niederstes aller Geschöpfe. Weiche zurück in das Nichts, aus dem du kamst!«
    Er, der auf dem Rücken des Drachen saß, sprach ein Wort.
    Der Drache öffnete seinen Rachen und spie Feuer.
    Gorbaz sah die flammende Lohe auf sich zurasen und wusste, dass dies das Ende war. Gegen das Drachenfeuer kann nichts, das von dieser Welt ist, bestehen. In diesem Augenblick war er nicht mehr als ein Bolg, ein Geschöpf, gezüchtet, um zu kämpfen, ausgewählt, um einem höheren Zweck zu dienen. Doch selbst in diesem Augenblick verließ ihn der Mut nicht. Er hob seinen Hammer. So stand er, ein Bild des Trotzes, als die wabernde Glut ihn umhüllte.
    »Ich Gorbaz …«
    Dann schlugen die Flammen über ihm zusammen, und als sie verlöschten, war nichts von ihm übrig geblieben.
    Erneut setzte der Drache zu einem Flammenstoß an, doch sein Herr, der neue Schattenfürst, riss ihn zurück. Stählerne Klauen furchten den Boden. Der Drache warf sich herum, und mit einem Schlag seiner mächtigen Flügel schwang er sich erneut empor in die Höhe.
    Die Gefährten, die immer noch auf der Spitze des Turmes standen, sahen ihn kommen, und Furcht erfüllte ihr Herz.
    Der Drache breitete seine Schwingen aus. Einen Augenblick lang stand er reglos in der Luft. Azanthul auf seinem Rücken sah den Ringträgern ins Gesicht. Mit der seltsamen Klarheit, mit der die Welt von der Spitze dieses Turmes erschien, sahen sie auch ihn, in jeder Einzelheit seiner geschuppten Rüstung, und verstanden jedes seiner Worte.
    ›Zittert, ihr Kreaturen, und kniet nieder vor Eurem Herrn!‹
    »Niemals!«, kam es als ein einstimmiger Schrei aus den Kehlen der Freunde.
    Der Drache saugte tief Luft in seine gewaltigen Lungen, um seinen tödlichen Flammenstrahl auszusenden.
    In diesem Augenblick brach die Sonne über den Rand des Schattens. Und fern im Westen, an einem hohen Ort über dem Rauch und Nebel der Schlacht, blinkte ein Licht.
    Der Hohe Elbenfürst, auf der Spitze jenes Turmes stehend, den man Tol Andraeth nennt, erhob seinen Ring.
    Wind kam auf. Doch diesmal war es kein schwarzer Sturm aus dem Abgrund der Welt, sondern ein reiner, kalter Wind, wie er von den höchsten Gipfeln der Berge weht. Er packte den Drachen und wirbelte ihn empor. Der Flammenstoß, der seinen Nüstern entwich, fauchte ins Leere. Der Drache schlug mit den Flügeln, aber gegen diese Gewalt war er hilflos. Der Sturm riss ihn mit sich, immer höher hinauf. Azanthul, der auf seinem Rücken saß, versuchte den Drachen in seine Gewalt zu bekommen, aber selbst er konnte gegen diese Urgewalt nichts ausrichten. Mit einem Schrei, der in den Höhen der Lüfte verklang, wurde er hinweggerissen, hinaus aufs Meer zu den fernen, schwarzen Wolken, in denen der letzte Widerhall des Gewitters aufgrollte und erstarb.
    Kim und seine Freunde standen wie erstarrt auf dem Turm. Rings umgab sie ein großes Schweigen, als sei mit dem letzten Schrei des Drachen die ganze Welt verstummt.
    Fabian beugte sich hinab. Er stemmte den Fuß gegen den leeren Harnisch, das Einzige, was von Azrathoth übrig geblieben war, und zog die Klinge heraus. Izrathôr glänzte rein und hell, als habe es nie einen Kampf gesehen.
    »Und was geschieht jetzt mit uns?«, fragte Kim.
    Doch ehe einer von den anderen ihm noch antworten konnte, wurde die Antwort bereits gegeben.
    Fabian, Gilfalas und Burin begannen zu verblassen. In einem Augenblick waren sie noch da, im nächsten sah man schon die Kontur der Hohen Zinnen und die Strukturen des Steins durch ihre Körper schimmern. Und dann waren sie verschwunden, als hätte es sie nie gegeben.
    Kim blieb allein zurück. Allein mit dem Wind, der um die hohe Feste wehte, und den beiden Toten: der leeren Hülle des Schattenfürsten und der mächtigen, gefallenen Gestalt Talmonds, dessen zerstörte Augen blicklos in den Himmel starrten.
    »Jemand sollte ihn hinuntertragen und ihm ein

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