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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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schwand die Aura der Macht, und sie sahen, wen sie vor sich hatten: Ithúriël, die Elbenprinzessin.
    »Was ist das für ein Ring?«, fragte Kim, als er seine Sprache wiedergefunden hatte. Dann merkte er, wie unhöflich er klingen musste, und er geriet ins Stottern: »Ich meine … ich wollte nicht … es tut mir leid, wenn ich …«
    »Hab keine Furcht, Ringträger!« Ihr Lachen war glockenhell. »Mit Absicht habe ich dich hierher gerufen, dich und deinen Begleiter. Diesen Ring gab mir der Hohe Elbenfürst, ehe er …«
    »… starb? Er ist tot?«
    Der Gedanke erfüllte ihn mit Schrecken. Aber wie anders sollte es sein, fragte er sich.
    »… verschwand … verblasste … ich weiß es nicht. Er gab ihn mir an diesem Ort, und lange Jahre hütete ich ihn in den Wäldern von Talarin, bis ich wieder hierher zurückkehrte. Ich wusste nie, warum er mich dazu ausersehen hatte, doch jetzt ist mir klar, dass auch dieser Ring noch eine Rolle zu spielen hat in der Geschichte. Denn was auch immer geschehen sein mag, die Macht dieses Ringes wird niemals vergehen, solange die Welt besteht.«
    Kims Blick ging zu dem runden Teich, der im Mondlicht gleißte. Eine plötzliche, wilde Hoffnung hatte ihn überkommen. »Dann ist dies ein Tor? Ein Tor zwischen den Welten, das wir benutzen können, um …«
    Um Hilfe herbeizuholen, hatte er sagen wollen. Doch an welche Hilfe hatte er gedacht? An wen konnten die Völker der Welt sich wenden, wenn das Universum aus den Fugen geraten war?
    »Kein Tor«, erklärte Ithúriël. »Ein Fenster, durch das du schauen kannst. Aber was es zeigt, ist ungewiss. Manchmal die Gegenwart, mitunter die Vergangenheit, bisweilen die Zukunft.«
    »Ach!« Kim ließ den Kopf sinken. »Ich habe in meinen Träumen die Zukunft gesehen, und sie ist düster.« Ein kahler Hang, der niemals enden will; ein Geschöpf, nackt in der Dunkelheit; ein Licht, das aufflackert und erlischt. »Ich will nichts mehr sehen.«
    »Aber ich!«, meldete sich da Aldo zu Wort, der unbeachtet neben ihm gestanden hatte. Seine Stimme klang eifrig und ein wenig trotzig zugleich. »Ich will Elderland sehen, wo ich zu Hause bin. Könnt Ihr mir das zeigen? Bitte!«
    »Dann sieh!«
    Ithúriël streckte ihre Hand über das Wasser aus, und der Spiegel des Sees schimmerte und verblasste.
    Ein weites, grünes Land, von Hügeln durchzogen, umgrenzt von Bergen und See. Aus den sumpfigen Niederungen steigt Nebel auf, verliert sich in den dunkleren Flecken von Hainen und Wäldern, zerfasert in der Morgensonne. Es ist ein jungfräuliches Land, noch unberührt vom Pflug des Bauern, dem Spaten des Baumeisters; ein Land ohne Zäune, ohne Gräben, in dem sich Bäche und Flüsse noch ihren natürlichen Weg suchen, dem Meer zu. Fische blitzen in der Flut, Rotwild äst zwischen den Bäumen, und die Augen, die unsichtbar aus dem Gebüsch schauen, sind die von Dachs und Iltis, Fuchs und Feldhase und anderem Kleingetier.
    Der Blick schweift weiter, über die Stufe – jenen mächtigen Abhang, der das Land im Osten säumt – und, der Kette schneebedeckter Gipfel folgend, über denen die Sonne emporsteigt, gen Süden. Man hört sie, ehe man sie kommen sieht, aus dem dunklen Schlund des Gebirges. Ein fröhliches Volk, heiter und unbeschwert. Mit Karren und Gepäck kommen sie, vollbeladen, auf einem langen Treck die Passstraße hinunter. An ihrer Spitze eine junge Frau, ein Mädchen fast noch, mit hellem Haar.
    »Dies ist der Anfang.«
    Der Spiegel des Sees verschwimmt, eine neue Szene bildet sich:
    Eine Stadt mit weißen Häusern, fest gegründet auf steinernen Sockeln, mit Wänden aus Fachwerk und reich geschnitzten Giebeln. Der Blick geht über Lagerhäuser am Ufer eines träge dahinfließenden Flusses. Das letzte in der langen Reihe von Gebäuden ist zugleich das größte, massiv gebaut, als sei es dazu gedacht, Jahrhunderte zu überdauern. In seinen Schatten geschmiegt, ein kleineres Haus. Winzig erscheint es neben dem mächtigen Bau, doch das Licht, das durch seine Butzenscheiben nach außen fällt, ist warm und heimelig, erzählt von gemütlichen Stunden vor einem gemauerten Kamin …
    »Herr Kimberon! Das ist das Museum mit dem Haus des Kustos! So, wie wir es verlassen haben.«
    »Still, junger Ffolksmann. Sieh hin!«
    Durch die laue Frühlingsnacht schweift der Blick weiter. Auf dem Marktplatz, zwischen den Tavernen und den hohen Häusern der Handelsherren, sind Bänke aufgestellt. Lampions hängen von Erkern und Giebeln und unter den Arkaden. Musik erklingt,

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