Die Herren der Zeit
von den funkelnden Sternen, die sich in dem stillen Teich spiegelten.
Auf dem Rückweg sprachen sie kein Wort. Jeder von ihnen war zu sehr mit dem beschäftigt, was er gesehen und erlebt hatte. Hinter Kims Stirn rasten die Gedanken. Die Elbenprinzessin als Hüterin des Einen Rings. Der Hohe Elbenfürst tot – oder verschollen. Das Tor, wenn es denn eines war, versperrt. Was war aus den anderen Ringen geworden, die er kannte: Burins Ring. Die Zwei Ringe der Zwergenmeister. Und wie passte er selbst in dieses Schema der Dinge?
Er hatte das Gefühl, dass er die ganze Nacht kein Auge würde zutun können, so sehr hatte ihn das alles aufgewühlt. Doch sobald er seine Unterkunft erreicht, die Tür hinter sich zugezogen und sich auf die Schlafstatt geworfen hatte, fiel alles von ihm ab, und er schlief tief und fest und traumlos, bis der Morgen dämmerte.
K APITEL IV
DAS DUNKLE COLLEGIUM
In aller Frühe brachen sie auf.
Sie waren zu Fuß, sechs Wanderer, wie in den alten Zeiten, als sie gemeinsam den Steig erklommen hatten, auf der Suche nach einer Rettung für das Elderland. Oder sieben, wenn man den Esel mitzählte.
»Ich dachte, wir würden auf Pferden reiten«, meinte Aldo hinter vorgehaltener Hand zu Kim.
»Hast du schon mal auf einem Pferd gesessen?«, fragte dieser zurück.
»Nein. Aber es wäre einen Versuch wert.«
»Dort, wo wir gehen, ist kein Weg für Pferde«, erklärte Gilfalas, dessen scharfe Ohren den Wortwechsel mitbekommen hatten. »Sie würden uns nur behindern.«
»Aber der Esel kommt mit!«, sagte Aldo trotzig, etwas schärfer, als er beabsichtigt hatte.
Fabian, der bei ihnen stand, lachte. »Meinen Freund Alexis hier zurückzulassen, das würde ihm das Herz brechen.«
Der Esel sah ihn mit einer Ergebenheit an, die man nur als hündisch bezeichnen konnte.
»Vielleicht könnte man einen kleinen Karren für ihn finden«, schlug Kim vor. »Dann könnte er unseren Proviant ziehen und was wir sonst noch so brauchen. Oder jemand könnte auf dem Wagen mitfahren«, fügte er hinzu, mit einem Blick auf Ithúriël.
Die Elbenprinzessin sah heute ganz anders aus, als er sie vom gestrigen Empfang und auch der Nacht in Erinnerung hatte. Sie war in helles, weiches Leder gekleidet, mit geschnürten Stiefeln und einem Bogen mit Köcher über der Schulter. Sie sah aus, als wolle sie auf die Jagd gehen. Doch sie wirkte dabei so zart und zerbrechlich, dass Kim sich fragte, wie sie wohl einen langen Marsch durchstehen würde.
»Ich kann länger laufen, als du denkst, Halbling«, meinte sie, als hätte sie seine Gedanken gelesen. »Aber vielleicht möchtest du oder dein Gefährte auf dem Esel reiten.«
»Man reitet nicht auf Eseln«, klärte Kim sie auf. »Nur ein kleines Kind darf so etwas. Ihr Rücken ist nicht dafür gedacht, einen Sattel zu tragen; es macht sie krank.«
So einigte man sich schließlich darauf, dem Esel einen Teil der Last aufzubinden, was zumindest den anderen das Gepäck erleichterte. Kim stellte fest, dass auch sein Rucksack dabei war; die Elben hatten ihn gesäubert und neu gefüllt. Irgendetwas nagte bei dem Anblick am Rande seines Bewusstseins, aber er wusste beim besten Willen nicht, was es sein mochte.
Gorbaz schulterte mit unbewegtem Gesicht den größten der verbleibenden Packen, als wäre es ein Sack mit Federn. Kim versuchte, sich den Bolg auf dem Rücken eines Pferdes vorzustellen, vielleicht eines großen Kaltbluts mit wehender Mähne, kupiertem Schweif und langen Kötenzöpfen an den Fesselgelenken, so wie sie Fflorian Mälzer, der Wirt des Goldenen Pflugs, vor seinen Brauereiwagen spannte. Aber das Bild passte nicht zusammen.
»Kannst du überhaupt reiten, Gorbaz?«
»Bolgs reiten nicht. Bolgs marschieren.«
Er blieb seinen Worten treu. Während Gilfalas und Ithúriël leichtfüßig über das Geröll huschten, dass sie kaum den Boden zu berühren schienen, stapfte der Bolg mit seinen genagelten Stiefeln mit festem Tritt, als könnte er tagelang, wochenlang so weiter marschieren. Und so war es wohl auch. Kim und Aldo dagegen mussten sich mit ihren kurzen Beinen redlich Mühe geben, das Tempo mitzuhalten. Fabian bildete mit seinen langen, raumgreifenden Schritten die Nachhut, gefolgt von Alexis, der ihm wie ein Lämmchen nachlief.
Schon bald wurde Kim klar, warum Gilfalas gesagt hatte, dass Pferde sie auf diesem Weg nur behindern würden. Zwar waren die Berge hier nicht so hoch wie die schneebedeckten Gipfel an den Grenzen von Elderland, doch das Gelände war rau und
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