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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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einzigen Zugang in die Stadt, von der Südseite her. Rechts und links des Eingangs standen in den Schatten zwei Wachen, und, als Kim näher kam, erkannte er zu seinem Unbehagen, dass es Bolgs waren.
    Gilfalas trat ungerührt auf das Tor zu und wollte zwischen den Wachen hindurchgehen, als diese plötzlich ihre Speere kreuzten und ihm den Weg versperrten.
    »Ûgh?«
    Anscheinend hatte der Zauber der Elben, der die Sinne verwirrte, seine Wirkung verloren.
    Gilfalas stand selbst verwirrt und wusste für einen Augenblick nicht, was er tun sollte.
    »Skâsh!« Gorbaz drängte sich nach vorne. Die Bolgs erstarrten. »Ûzg snash shub-húlub bâghl« Die beiden rissen ihre Lanzen hoch und nahmen Habachtstellung ein. Gorbaz trat an sie heran wie ein Centurio, der seine Kohorten inspiziert. »Butúb uzg pushdurz shumbal-ishi tulûk.« Schweiß stand trotz der Abendkühle auf den ledrigen Gesichtern der Bolgs. Gorbaz wandte sich um. »Atash!« Dann, als er die Ratlosigkeit auf den Gesichtern der anderen sah, übersetzte er: »Folgen!«
    In einer Reihe gingen sie zwischen den versteinerten Wachen hindurch und traten durch den inneren Torbogen auf die Hauptstraße.
    Kim stieß in einem langen Seufzer die Luft aus, die er unwillkürlich angehalten hatte. »Was hast du mit ihnen gemacht?«, konnte er sich nicht enthalten zu fragen.
    Gorbaz grinste. Es hatte etwas Verstörendes.
    »Zusammengeschissen«, sagte er. »Dann befohlen, uns durchzulassen. Sind nur Auxiliares«, fügte er erklärend hinzu. »Wollen Befehle. Sprechen nur Bolkûsh. Sind dumm, selbst für Bolgs.«
    »Das war clever«, meinte Kim anerkennend. Ihr neu gewonnener Kampfgefährte gab ihm immer mehr Rätsel auf. Welche unerkannten Fähigkeiten mochten noch in ihm schlummern. Auch dass Bolgs eine eigene Sprache hatten, war Kim bislang nie bewusst gewesen – ob es nur in dieser Welt galt oder auch in der anderen?
    »Was machen wir jetzt?« Auch in Gilfalas’ Stimme schwang eine widerwillige Anerkennung, so gut er sich auch bemühte, sie zu verbergen. Sie waren weitergegangen, um aus dem Blickfeld der Bolg-Wachen zu gelangen, aber jetzt hielt er inne. »Wir können nicht ziellos hier durch die Stadt laufen.«
    »Zum historischen Seminar«, sagte Fabian. »Kommt, ich kenne den Weg.«
    Er setzte sich an die Spitze, und sie gingen rasch weiter; denn schon hatten sie erste misstrauische Blicke von Passanten geerntet, die sich auf der Straße an ihnen vorbeidrängten.
    Kim war es beim Anblick der Szenerie ganz seltsam zumute. Auf der einen Seite hatte er das Gefühl, als müsste er das alles kennen, auf der anderen war es ihm dennoch fremd. Keine Gruppen von Studenten, die lautstark von einer Kneipe zur nächsten zogen. Keine Magistri mit Baretts und in langen Roben, mit Büchern und Schriftrollen unter dem Arm, die vom Auditorium in ihre privaten Studierstuben eilten. Die Menschen hier gingen geduckt, und wenn sie einander ansahen, dann aus den Augenwinkeln und von der Seite. Und es gab nicht das Vielvölkergemisch hier, an das er sich aus seinen Studientagen erinnerte: Elben und Zwerge, braun gebrannte Südländer, Gelbe, Rote und Schwarze. Dies waren Menschen der Mittelreiche, von ein und derselben Rasse, seltsam unterwürfig, seltsam still.
    Fabian ging zielsicher voran in eine schmale Gasse, die von der Hauptstraße abzweigte. Schon nach wenigen Schritten hatten die hohen Mauern mit ihren überstehenden Erkern einen großen Teil des Abendlichts verschluckt. Hier und da brannten Lichter hinter Butzenscheiben und warfen einen trüben Schein auf die Gasse. Doch man musste aufpassen, wohin man seinen Fuß setzte, um nicht in irgendwelchen Unrat zu treten oder über Trittsteine zu stolpern, welche die Gasse von einem Rinnstein zum anderen querten.
    Bald war Kim in dem Labyrinth von gewundenen Passagen völlig verloren; das heißt, nicht ganz, denn als sich die Gasse schließlich zu einem offenen Rund weitete, hatte er plötzlich wieder das Gefühl, hier schon einmal gewesen zu sein.
    »Ist das nicht der Platz der Freiheit?«, fragte er.
    »Er heißt hier anders«, meinte Fabian nur.
    Aber jetzt wusste Kim zumindest wieder, wo sie waren. Noch eine lange schmale Gasse, ein Durchgang, eine scharfe Biegung, dann waren sie am Ziel …
    Ihm blieb der Mund offen stehen. Dort, wo nach seiner Erinnerung das Seminar gestanden hatte, ein mächtiger Bau mit Blendtürmen und zinnenbewehrter Krone im Stil des carolingischen Historismus – keine Burg, aber eine gut gemeinte Imitation

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