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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Gelehrte war.
    »Ihr könnt doch nicht …«, protestierte der Mann.
    »Psst!«, zischte Fabian. »Wo geht es zur Bibliothek?«
    Magister Queribus deutete mit dem Finger.
    Sie huschten über den Gang, an der Wand entlang, um jederzeit in einer der Türlaibungen Deckung suchen zu können. Am Ende des Korridors gab es nur die Möglichkeit, nach rechts oder links zu gehen, und auf einen weiteren Fingerzeig des Magisters entschieden sie sich für die linke Seite. Der zweite Gang endete an einer Tür, einem Portal mit geschmückten Wandsäulen und Archivolten, deren Stäbe mit kämpfenden Fabelwesen geschmückt waren. Das Tympanon über dem Türsturz zeigte ein aufgeschlagenes Buch, umgeben von einem Drachen in der Form jenes Wurms, der seinen Schweif verschlingt.
    »Die Bibliothek?«
    Magister Queribus nickte.
    Irgendwo hörte man eine Tür schlagen. Lichtschein, ein helleres, sich bewegendes Licht, drang um die Ecke des Korridors.
    »Hierher!«, rief Magister Queribus. »Eindringlinge! Diebe! Hier sind sie!«
    »Verdammt!«, stieß Fabian hervor. Er versuchte, den kleinen Mann zu packen, aber dieser duckte sich unter ihm weg und rannte, als wäre eines der Monster aus dem Portalgewände leibhaftig hinter ihm her, in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
    »Hier! Hierher!«
    Um die Ecke des Ganges traten die vierschrötigen Gestalten zweier Bolgs. Die Amtskleidung von Präfekten, mit ärmellosen Roben und Samtbarett, wirkte wie eine Verkleidung an ihren ungeschlachten Körpern. Aber sie minderte nicht ihre Gefährlichkeit.
    »Los, hier rein!«, sagte Fabian.
    Gemeinsam stemmten sie die Tür auf und schlüpften hindurch. Dann ließen sie das schwere Türblatt hinter sich ins Schloss fallen. Fabian schnappte sich einen Stuhl, der neben der Tür stand, und klemmte ihn unter die Klinke. Die Sperre würde zwar nicht lange halten, aber vielleicht, so dachte er, gab sie ihnen den kleinen Vorschub an Zeit, den sie brauchten. Dann wandte er sich um.
    Kim stand mit offenem Mund da und starrte auf die Bibliothek.
    Es war der Traum – oder Albtraum – eines jeden Gelehrten. Reihe um Reihe von geschnitzten Regalen, die bis zur Decke reichten, angefüllt mit schwarzen/modernden Folianten. Die Flucht der Regale wurde nur von Leitern und Vitrinen durchbrochen, hinter deren Vergitterung weitere Bücher aufschienen – Bände, die zu kostbar oder zu gefährlich waren, als dass man sie offenem Zugriff aussetzen konnte.
    An der Stirnseite der Regale zog sich der Katalog entlang: Aktenschränke mit schweren Schubkästen aus Ebenholz, mit verschlungenen Glyphen beschriftet.
    Staunend blieb er stehen. Wie unter einem Zwang streckte er die Hand aus, griff nach dem nächsten Folianten auf dem Regal. Das Leder des Einbandes fühlte sich seltsam weich, fast glitschig an. Er wollte es aus dem Regal ziehen, doch das Buch setzte seinen Bemühungen Widerstand entgegen, als habe es einen eigenen Willen.
    »Wir haben keine Zeit zum Lesen«, wies ihn Fabian zurecht. »Wir müssen sehen, dass wir hier wegkommen.« Er wies auf das Ende des Ganges, wo sich ein weiterer Durchgang auftat. Ein schwerer Vorhang bauschte sich, von unsichtbarer Hand bewegt. »Da ist ein Luftzug. Vielleicht geht es dort ins Freie.«
    Ich komme hier anscheinend nie dazu, etwas zu lesen, dachte Kim, aber er sprach es nicht laut aus. Er schob den schwarzen Band, halb bedauernd, halb erleichtert, in das Regal zurück und folgte Fabian.
    »Hier geht es nach unten«, stellte er fest, als sie den Vorhang beiseiteschoben.
    »Egal«, sagte Fabian. »Wir können hier nicht bleiben. Also weiter!«
    Vorsichtig tasteten sie sich die Schräge des Ganges hinab. Von weiter unten drang ein seltsames, flackerndes Licht zu ihnen empor, das einen unsteten Schatten auf die Wände warf. Der Luftzug wurde stärker.
    »Das gefällt mir nicht«, sagte Fabian. Er hatte sein Schwert gezogen. »Das gefällt mir ganz und gar nicht.«
    Inzwischen war der Luftzug, der an ihnen zerrte, zu einem Wind geworden, so dass sie sich dagegen stemmen mussten, um nicht mitgerissen zu werden. Die abwärts führende Rampe wurde zu einer Treppe mit breiten, ausgetretenen Stufen, die sich außer Sicht bog. Immer weiter ging es hinab. Der Wind wurde zum Sturm. Mehr taumelnd als gehend ließen sie sich davon treiben. Eine weitere Biegung, und sie hatten den Fuß der Treppe erreicht.
    Sie standen in einer unterirdischen Kammer, einer Art Kapelle, deren niedriges Gewölbe von seltsam gedrehten Pfeilern getragen wurde.

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