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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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unter ihnen, und in der Tiefe des Tales gähnte das Loch, das die Toten der Festung ausspie.
    Die scharfen Augen des Dunkelelben suchten den steinigen Grund ab, und dann fanden sie, was sie suchten.
    Und Azanthul lachte.

K APITEL VII
KÖNIG DER GNOME
    Ringsum war nichts als Dunkelheit und Schweigen.
    Doch das Schweigen war nicht vollkommen. Irgendwo in den Tiefen des Gesteins tropfte Wasser, bahnte sich seinen Weg durch den Fels, bis die Rinnsale sich zusammenfanden zu einem unterirdischen Bach, der zu einem Fluss wurde. Plätschernd und gurgelnd brach er sich Bahn, wo der Widerstand am schwächsten war, wo Faltungen und Verwerfungen Schichten von Kalk zwischen den harten Granit gepresst hatten, fraß sich weiter und tiefer. Immer noch lichtlos, ein Wasser, das keines lebenden Wesens Auge je geschaut hatte, schwoll der Fluss zum Strom, gewann an Kraft, an Raum, an Volumen, bis er die Enge seines Gefängnisses zu sprengen drohte. Der Stein ächzte und stöhnte unter dem Ansturm, und dann, als der Druck unerträglich wurde –
    – gab er ihn frei.
    In den leeren Raum hinein stürzte der Wasserschwall, in die Gewölbe, die sich vor ihm auftaten; in einem Strudel fiel er hinab, tiefer und tiefer in den Abgrund, wo sich Feuer und Wasser, Luft und Erde verbinden und aus der Urmaterie neues Leben erwächst, über das selbst die Gesetze des Göttlichen Paares keine Macht haben.
    Etwas regte sich am Boden des Abgrunds. Mit Sinnen, die jedes Begreifen übersteigen, lauschte es empor. Und aus den oberen Regionen wurde ihm Antwort zuteil: ein Pochen, wie das Pulsieren eines riesigen Herzens oder das rhythmische Schlagen von Trommeln. Vieler Trommeln.
    »Hört Ihr es auch?«, fragte Aldo und öffnete die Augen.
    Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass er sehen konnte. Es war immer noch finster, doch von den steinernen Wänden kam ein ganz matter, fahler Schimmer, der gerade ausreichte, dass man die Hand vor den Augen erkennen konnte. In diesem ungewissen Dämmerschein sah er Burins gedrungene Gestalt vor sich. Der Zwerg stand reglos da und lauschte ebenfalls in die Tiefe.
    »Ich höre«, sagte er schließlich, wie in Trance, »das Wachsen und Vergehen des Gesteins, aus dem die Welt ist. Es ist, als würde es atmen.«
    Aldo hatte gar nicht gewusst, dass ein Zwerg, dessen Rasse im Allgemeinen als eher praktisch veranlagt galt, zu solch poetischen Worten fähig war.
    »Das klingt schön«, meinte er, »aber –«
    »– aber wir müssen weiter.« Gilfalas Schatten trieb in der Düsternis näher. Seine mandelförmigen Augen schimmerten im Dunkeln. »Wir können hier nicht stehen bleiben.« Es klang fast so etwas wie Furcht aus seinen Worten, als habe er Angst vor der Dunkelheit.
    »Ihr müsst uns führen, Meister Burin«, fügte Ithúriël hinzu. »Hier, wo kein Licht ist, seid Ihr derjenige mit dem besten Gespür. Am besten fassen wir uns alle bei den Händen und –«
    »Dies ist Zarakthrôr, Prinzessin«, grollte Burin, der seine Selbstsicherheit wiedergewonnen hatte. »Hier muss es Licht geben.«
    Er tastete sich an der Wand entlang. Aldo, der die Umgebung zumindest in Umrissen erkennen konnte, wunderte sich, dass der Zwerg sich offenbar auf seinen Tastsinn verließ. Aber es war wohl weniger ein Zeichen von Unbeholfenheit – so wie bei den Elben, die in dieser Dunkelheit blind umhertappten. Vielmehr schien Burin etwas zu suchen. Aber was?
    Vor ihnen tat sich im Gang eine Art Portal auf: zwei Blendpfeiler zur Rechten und zur Linken, die sich an der Decke zu einem Bogen schlossen. Davor war in der Seitenwand eine flache Nische. Burin griff hinein, und man hörte ein Klicken, als schnappte ein Schloss zu. Dann flammte Licht auf.
    Das Licht flackerte die Decke entlang, in schmalen Streifen. Zuerst sah es aus, als wolle es gleich wieder erlöschen, doch wenn es einmal brannte, dann gab es einen kalten, bläulichen Schimmer ab. Es war kein helles Licht; es hatte eher etwas von dem Leuchten, wie es Glühwürmchen auf einer Sommernachtswiese verstrahlten. Aber es reichte aus, um den Weg in das Innere des Berges zu erkennen.
    »Und nennt mich nicht Meister«, fuhr Burin fort. »Hier in den Tiefen der Welt gebührt dieser Name nur einem.«
    Im Schein des kalten Lichts gingen sie weiter. Burin schritt voran, gefolgt von Aldo. Gilfalas und Ithúriël hielten sich dicht beieinander. Gorbaz bildete den Schluss.
    Hier, in der Nähe des Flusses, war der Grund, in den man den Stollen getrieben hatte, uneinheitlich. Schichten aus festerem

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