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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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dachte, ein Zwerg weiß immer, wo er sich befindet.« Das war Gilfalas, von der anderen Seite.
    »Das mag wohl sein«, gab Burin zu. »Aber in diese Höhlen hier hat noch nie ein Zwerg seinen Fuß gesetzt. Dies ist eine völlig andere Welt.«
    Aldo, den die Welle wie ein Stück Treibholz auf einer der Terrassen zurückgelassen hatte, richtete sich auf. Selbst für seine empfindlichen Augen, die sich am ehesten auf ungünstige Lichtverhältnisse einstellen konnten, war die Umgebung schwarz wie Tinte.
    »Ich bin hier!«, rief er – überflüssigerweise, denn das Echo in der Höhle machte die Richtungen trügerisch. »Wo sind die anderen?« Er verspürte Gewissensbisse Gorbaz’ gegenüber, den sein Zögern an der gefährlichen Stelle in solch eine gefährliche Situation gebracht hatte. »Gorbaz? Wie fühlst du dich?«
    »Nass«, kam es von weiter oben. »Macht jemand Licht?«
    Die Frage war berechtigt. Die Ironie des Schicksals blieb Aldo nicht verborgen. Drei Träger hoher Zauberringe in einer dunklen Höhle, und keiner vermochte auch nur einen Funken Licht zu erzeugen. Drei Ringträger – und ein Schamane.
    »Äh … Gwrgi?« Der Name kam ihm noch nicht flüssig über die Lippen.
    Ein leises Wimmern in der Dunkelheit, eher ein Winseln. War das Gwrgi? Oder war es etwas anderes?
    Eine Bewegung, die er aus den Augenwinkeln wahrnahm, ließ Aldo herumfahren. Etwas Weißes in der Dunkelheit. Doch nein, er musste sich geirrt haben … Da war es wieder, an einer anderen Stelle.
    »Ich glaube, ich habe da etwas gesehen«, sagte er vorsichtig. »Aber ich bin mir nicht sicher.«
    Wenige Augenblicke später war er es.
    Sie waren nicht allein.
    Etwas war im Raum, und es war nicht nur eine Präsenz, es waren viele. Ein Raunen lag in der Luft, ein Druck wie von vielen Geistern. Sie kamen fast lautlos, aber nur fast; denn hier und da kollerte ein Stein unter einem Schritt, schleifte etwas über den Boden, gab es ein Schlurfen, ein Stolpern, einen falschen Tritt. Ihre Leiber glommen fahl in der Dunkelheit, nicht wirklich sichtbar, aber doch heller als die absolute Schwärze, die sie umgab. Und hinter ihnen kamen jene, denen eine Welle absoluten Grauens vorausging, Wesen ohne Gesicht, Geschöpfe, deren Geist allein stark genug war, um mit der Macht des Schreckens zu töten.
    Gilfalas’ Schwert glitt mit einem Schaben aus der Scheide. Burins Kettenhemd klirrte, als er seine Axt packte. Ithúriël wollte ihren Bogen hervornehmen, doch die Nässe hatte ihn unbrauchbar gemacht, und in der Düsternis wäre er ohnehin nutzlos gewesen. So zog sie ihren Dolch. Aldo hatte keinen Zweifel, dass Gorbaz seinen erbeuteten Kriegshammer geschwungen hielt. Wenn er doch wenigstens einen Stock gehabt hätte, um sich zu verteidigen.
    »Also«, sagte eine klare Stimme in ihrem Rücken, »das ist eine äußerst unbefriedigende Situation. Könnte jetzt vielleicht doch jemand Licht machen, wenn es nicht zu viel Mühe ist?«
    Alle erstarrten. Niemand wagte sich zu rühren.
    »Würde vielleicht jemand von meinen Untertanen ein Licht entzünden«, die Stimme klang deutlich schärfer als zuvor, »wenn ich, Hamagwrgi, es befehle!«
    Und es ward Licht.
    Kein Schein von kalten Grubenlampen, wie die Zwerge sie verwendeten; kein glitzernder Staub, der im Aufflammen bereits erstarb; nein, es war eine fahle, trübe Sphäre, die sich im Raum bildete und alles mit einem weichen, gelblichen Schein erhellte. Und in demselben Maße, wie das Licht die Finsternis erhellte, schälten sich aus dem Dunkel die Gestalten derer, die sich ringsum versammelt hatten.
    Es waren Hunderte, und nicht zwei von ihnen glichen einander. Das Einzige, was sie gemein hatten, war die fahle Helle ihrer Leiber, doch nirgendwo von den Höhen der Überwelt bis zu den Tiefen der Untererde hatte sich jemals eine solche Schar grotesker Gestalten versammelt. Manche von ihnen hatten zu wenige Gliedmaßen, andere zu viele; hier beugte sich ein Gelenk, wo keines sein durfte, dort wand sich ein knochenloser Tentakel. Riesige Hände und Füße wechselten mit verkrüppelten Stummeln; Rümpfe mit verhornten Knochenwülsten neben Leibern, die vor Fett wabbelten; Köpfe mit fliehenden Stirnen neben solchen, bei denen das schwärende Hirn die Schädeldecke zu sprengen drohte. Monströse Münder sabberten, Augen stierten, blind oder sehend, riesig oder unter wucherndem Gewebe verborgen. Aber am schrecklichsten von allen waren jene, deren Gesicht nur eine leere, konturlose Fläche bot, denn sie sahen mit der

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