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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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kehrte Norman aus Basel zurück und stellte fest, dass die Krise nun auch auf Großbritannien übergegriffen hatte. An diesem Abend bat ihn Robert Kindersley, Direktor der Bank of England und Leiter der Londoner Niederlassung des angesehenen Investmenthauses Lazard, um einen privaten Gesprächstermin. Er sagte ihm, dass Lazard selbst ernsthafte Probleme hatte. Ironischerweise hatte das kaum etwas mit der Krise zu tun, die in Mittel- und Osteuropa tobte. Mitte der 1920er-Jahre hatte ein schurkischer Wertpapierhändler in der Brüsseler Niederlassung der Bank eine halsbrecherische Wette auf den Zusammenbruch des französischen Franc gewagt und damit 30 Millionen Dollar verloren, fast das Doppelte der Kapitalausstattung der Bank. Mit Hilfe einiger Mitglieder des Büros in Brüssel hatte er den Verlust jahrelang verbergen können, indem er Schuldscheine im Namen Lazards an seine Kontrahenten ausgab. Das Ausmaß des Problems war erst kürzlich ans Licht gekommen, als diese Schuldverschreibungen der Bank vorgelegt wurden. Als man ihn mit der Beweislage konfrontierte, gestand der betreffende Mann, ein Tscheche, sein Verschulden. Dann zog er mitten im Büro plötzlich eine Pistole hervor und erschoss sich. Aus Furcht, der Bankrott einer Handelsbank mit dem Ansehen Lazards könnte in der City eine Panik auslösen, erklärte sich die Bank of England dazu bereit, Lazard aus der Klemme zu helfen. In der folgenden Woche informierten zwei weitere britische Geschäftsbanken, Kleinworts und Schroders, Norman darüber, dass auch sie Probleme hatten. Da die Bank of England nicht jedem helfen konnte, arrangierte sie eine Rettung durch Kredite von den Geschäftsbanken.
    Derweil tobte in Folge der Bankenschließungen in Deutschland ein »Blizzard« durch das weltweite Finanzsystem. In Ungarn wurde ein Bankfeiertag verordnet, in Rumänien, Lettland und Polen brachen bedeutende Finanzinstitutionen zusammen. In Kairo und Alexandria begann ein Ansturm auf die in deutschem Besitz befindliche Deutsche Orientbank, und man musste die Polizei rufen, um deren Management zu schützen. In Istanbul wurden die dortigen Niederlassungen der Deutschen Bank gestürmt, die Banque Turque pour le Commerce et l’Industrie wurde geschlossen.
    Die Weltwirtschaftskrise hatte bereits große Teile Südamerikas erfasst – Bolivien hatte im Januar den Staatsbankrott erklärt, Peru im März. In den letzten beiden Juliwochen wurden auch andere lateinamerikanische Länder erfasst. Am 16. Juli stellte Chile die Zahlungen auf seine Auslandsschulden ein. Fünf Tage später brach die Regierung zusammen, und die Zentralbank übernahm die Amtspflichten des Premierministers. Das dauerte nur drei Tage. In den folgenden 24 Stunden wurden drei verschiedene Premierminister vereidigt, bis schließlich das Militär die Macht übernahm, weil man genug von all den Turbulenzen hatte. Am 25. Juli gab die mexikanische Regierung bekannt, Gold sei nicht mehr die offizielle Landeswährung, und man sei stattdessen auf Silber umgestiegen. Die mexikanische Währung verlor 36 Prozent ihres Werts, und nach einigen Tagen der Konfusion schloss eine der wichtigsten Banken, Credito Español de Mexico, ihre Türen.
    Angesichts dieser Turbulenzen im weltweiten Finanzsystem war die Londoner City, die ihre Fühler in jeder Ecke des Globus hatte, besonders anfällig. Am 13. Juli, als die deutsche Krise auf ihren Höhepunkt zusteuerte, veröffentlichte das Macmillan-Komitee seinen Bericht über die Funktionsweise des britischen Bankensystems. Angesichts dessen, was in Europa vor sich ging, wurde dieser Bericht von der Presse kaum beachtet. Dennoch waren darin einige Zahlen enthalten, die die City erschütterten.
    Als London noch das unumstrittene finanzielle Zentrum der Welt war, hatten die britische Industrie und das britische Bankenwesen einander ergänzt. Die hohen Exportüberschüsse der damaligen »Werkstatt der Welt« erwirtschafteten die nötigen Mittel für die langfristigen weltweiten Investitionen Großbritanniens und untermauerten den Status Londons als Bankier der Welt. Nach dem Krieg und nach der Rückkehr zum Goldstandard hatte die britische Industriekapazität stagniert. Dennoch behauptete London während der gesamten 1920er-Jahre seine weltweite finanzielle Vorherrschaft und verlieh weiterhin jährlich 500 Millionen Dollar an ausländische Regierungen und Unternehmen. Da Großbritannien aber nicht mehr in der Lage war, vergleichbare Exportüberschüsse zu erwirtschaften wie vor dem

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