Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
immer noch hohen Respekt, und nun war er in jeder Hinsicht ein Privatmann.
In den Jahren unmittelbar vor dem Krieg nahm Schacht eine führende Rolle bei einigen Verschwörungen konservativer Politiker und Geschäftsleute ein, die darauf abzielten, Hitler zu stürzen. Dazu gehörte, Mitglieder des Oberkommandos der Wehrmacht zu verleiten, einen Putsch zu starten, indem man sie davon überzeugte, dass die Nazis Deutschland in einen Krieg stürzen würden, auf den es schlecht vorbereitet war. Zum ersten Mal kam es 1938 dazu, als Hitler versuchte, die Tschechoslowakei zu okkupieren. Die Pläne für diesen Putsch wurden in letzter Minute aufgegeben, als der britische Premierminister Neville Chamberlain und der französische Premier Édouard Daladier bei der Münchener Konferenz ihre fatalen Zugeständnisse machten. Einen zweiten Versuch gab es Ende 1939, in den Wochen vor der Invasion Polens. Diese letzte Verschwörung wurde von den laufenden Ereignissen überholt, noch ehe die Verschwörer aktiv werden konnten.
Nach dem Kriegsausbruch hielt sich Schacht sehr zurück, lebte auf seinem Gut in Gühlen und mied die Intrigen und die Paranoia in Berlin. Ironischerweise erlebte er gerade jetzt eine Zeit großen persönlichen Glücks. Seine erste Frau starb 1940. Das Paar hatte sich im Lauf der Zeit voneinander entfremdet und lebte getrennt. Im folgenden Jahr heiratete er mit 64 Jahren eine Frau, die 30 Jahre jünger war als er; eine Museumskuratorin, die er in einem schicken Nachtclub in München kennengelernt hatte. In den folgenden drei Jahren bekamen sie zwei Töchter.
Obwohl Schacht am Rand der Widerstandsbewegung blieb, vertraute man ihm doch nie genug, um ihm Zugang zu dessen innersten Kreisen zu gewähren. Oft wurde sein Name als potentieller Nachfolger Hitlers für den Fall eines Staatsstreichs genannt. Im April 1944 wurde sein Schwiegersohn Hilger von Scherpenberg, Beamter im Auswärtigen Dienst mit Sitz in Stockholm, von der Gestapo verhaftet. Nach dem gescheiterten Attentatsversuch gegen Hitler am 20. Juli wurde auch Schacht verhaftet und in Berlin inhaftiert – nicht wegen irgendwelcher Anhaltspunkte für seine Mittäterschaft, sondern wegen seines möglichen Nutzens als Geisel oder Vermittler bei zukünftigen Verhandlungen mit den Alliierten. Im April 1945 wurde er ins KZ Dachau gebracht. Zwei Wochen später marschierten die alliierten Armeen in Deutschland ein, und nun gehörte er zu einer Gruppe sehr wertvoller Häftlinge, ebenso wie Prinz Philip von Hessen, der frühere französische Premierminister Léon Blum und dessen Frau, General Franz Halder, der frühere Chef des Generalstabs samt Frau, der Stahlbaron Fritz Thyssen und Prinz Friedrich Leopold von Preußen. Man brachte sie als potenzielle Geiseln in Sicherheit. Schließlich wurden sie von den Alliierten aus einem Lager in Tirol befreit.
Statt Schacht als Helden zu begrüßen, verhafteten ihn die Amerikaner, und er gehörte zu den 24 Angeklagten im Hauptkriegsverbrecherprozess in Nürnberg. Außer sich vor Wut, dass er mit den »Verbrechern« des Nazi-Regimes auf eine Stufe gestellt wurde, bestand er darauf, er sei anders, habe nur in Notwehr gehandelt, um Deutschland gegen den ökonomischen Würgegriff der Alliierten zu verteidigen und mit dem Führer gebrochen, als er bemerkte, dass ein Krieg unausweichlich war. Ein Gefängnispsychologe beschrieb, wie Schacht eines Tages die Kontrolle verlor und zu schimpfen begann: »Vergessen Sie nicht, zu welch verzweifelten Maßnahmen uns die Alliierten gezwungen haben. Sie bedrängten uns von allen Seiten – sie erwürgten uns fast! Versuchen Sie sich einmal vorzustellen, was ein kultiviertes Volk wie die Deutschen durchgemacht haben muss, um einem Demagogen wie Hitler auf den Leim zu gehen! … Wir wollten nichts anderes als eine Chance zu exportieren, zu handeln, irgendwie zu leben …«
Vor Beginn des Kriegsverbrecherprozesses wurde jeder Angeklagte ausführlich verhört, es gab eine Vielzahl psychologischer Interviews und sogar einen Intelligenztest – wobei Schacht mit einem Ergebnis von 143 am besten abschnitt. Beim Prozess selbst fiel es ihm sehr schwer, seinen Zorn zu verbergen. Der Romancier John Dos Passos schrieb, Schacht habe während der gesamten Verhandlungen vor Wut gefunkelt »wie ein zorniges Walross.« Rebecca West schrieb, er war »in seinen Sitz eingezwängt, sodass sein hoch gewachsener Körper steif wie ein Brett am Rand der Angeklagtenbank lehnte. So saß er im rechten Winkel zu den
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