Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
anderen Angeklagten, sah an ihnen vorbei und über sie hinweg: Er war immer davon überzeugt, er stehe weit über der Bande Hitlers. Er war vor Zorn wie versteinert, weil sich der Gerichtshof dieses Recht anmaßte. Er hätte eine Leiche sein können, eingefroren von der Totenstarre …«
Schacht und von Papen wurden freigesprochen, weil sie ihre Beziehungen zu den Nazis schon vor dem Ausbruch des Kriegs abgebrochen hatten. Drei Tage nach seiner Entlassung wurde er von der neuen Regierung des Freistaats Bayern aufgrund der Gesetze zur Entnazifizierung erneut verhaftet. Nach fünf verschiedenen Prozessen, die sämtlich ohne Verurteilung endeten, wurde er schließlich 1950 entlassen.
In den letzten Tagen des Kriegs war sein einziger Sohn Jens in die Hände der Russen gefallen, und man hörte nie wieder etwas von ihm. Er war einer der zahllosen deutschen Soldaten, die bei den Todesmärschen der Gefangenen an der Ostfront verschwanden. Schacht war nun 73 Jahre alt und völlig mittellos. Er begann ein neues Leben und eine neue Karriere als unabhängiger Wirtschaftsberater, wobei er die Regierungen Ägyptens, Indonesiens und des Iran unterstützte. Schacht starb 1970, im Alter von 93 Jahren und äußerst wohlhabend. Bis zum Ende weigerte er sich zu sagen, er habe jemals etwas falsch gemacht.
Der Krieg schuf seltsame Schicksalsgenossen. Das andere Mitglied des Quartetts, Émile Moreau, war nach seinem Rücktritt als Gouverneur der Banque de France im Oktober 1930 Präsident der Banque de Paris et des Pays-Bas geworden. 1940, nach dem Fall Frankreichs und der deutschen Besetzung wurde Moreau vom Vichy-Regime aus dem Amt gedrängt, weil er angeblich den Briten gegenüber zu nachgiebig war – die äußerste Ironie für einen Mann, der auf dem Gipfel seiner Karriere sein Bestes getan hatte, um die britische Dominanz auf finanziellem Gebiet zu brechen.
Entsetzt über die sozialen und ideologischen Konflikte, die Frankreich in den 1930er-Jahren bedrückten, wurde Moreau durch die Politik in der französischen Republik und die parlamentarische Demokratie zunehmend desillusioniert. Die Linke konnte er nicht unterstützen, und die Rechte wurde von Tag zu Tag faschistischer. Stattdessen wurde er Royalist – ein sehr eigenartiges politisches Bekenntnis. Die Royalisten waren eine Splittergruppe. Eine Umfrage ergab, dass weniger als sechs Prozent aller Franzosen der Ansicht waren, die Monarchie solle in der Politik des Landes irgendeine Rolle spielen.
1935 wurde Moreau Sekretär des Thronanwärters Jean d’Orléans, Herzog von Guise, Urenkel des liberal eingestellten Louis Philippe, der von 1830 bis 1848 König von Frankreich gewesen war. Das Exilgesetz von 1866 verbot den Erben früherer französischer Dynastien die Einreise nach Frankreich, und so agierte Moreau als Verbindungsperson des Herzogs in Frankreich. 1940, als Jean d’Orléans starb, wurde sein Sohn Henry, Comte de Paris, zum neuen Thronanwärter. Nach der Niederlage Frankreichs in diesem Jahr versuchte Henry eine Brücke zwischen dem unbesetzten Frankreich und den Kollaborateuren in Vichy zu schlagen, und für kurze Zeit gab es Gerüchte, die Monarchie könnte wieder erstehen. Obwohl Moreau sein Bestes tat, diese Idee zu fördern, wurde nichts daraus, und der Comte de Paris nahm wieder seinen Platz in den Klatschspalten von Paris Match ein.
1950 wurde das Exilgesetz aufgehoben, und der Comte de Paris durfte wieder nach Frankreich einreisen. Moreau lebte lange genug, um seinen geliebten Souverän noch in seinem Haus in Paris begrüßen zu können, aus dem schließlich das Sekretariat für die Aktivitäten des Fürsten wurde. Moreau starb im November dieses Jahres.
Während Hjalmar Schacht in den 1930er-Jahren wieder an die Macht gelangt war, musste sich sein Freund Montagu Norman mit einer weit weniger wichtigen Rolle in den britischen und internationalen Finanzangelegenheiten begnügen. Im Oktober 1933 krönte er seine jährliche Rede im Mansion House, indem er ein altes arabisches Sprichwort zitierte: »Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass zwar die Hunde bellen, aber die Karawane weiterzieht.« In früheren Zeiten hätte man dies für eine jener geheimnisvollen Zen-ähnlichen Äußerungen gehalten, die die überlegene Weisheit des Bankpräsidenten belegten. Diesmal allerdings führte sie zu einem Aufschrei. Die Andeutung, seine Kritiker seien nichts anderes als bellende Hunde, setzte einen Sturm der Entrüstung gegen das gesamte Banken- und
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