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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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Im November war er einer von 24 Industriellen, darunter der Stahlmagnat Fritz Thyssen und der Waffenproduzent Gustav Krupp, die einen offenen Brief an von Hindenburg unterzeichneten, in dem der Reichspräsident dazu gedrängt wurde, Hitler zum Kanzler zu ernennen. In einem Interview, das in Zeitungen auf der ganzen Welt veröffentlicht wurde, erklärte Schacht, Hitler sei »der einzige geeignete Mann für die Kanzlerschaft.« Im Januar 1933 gab der Präsident dem Druck schließlich nach und ernannte den »böhmischen Gefreiten« zum Reichskanzler.
    Zwei Monate später, am 16. März 1933, war Schacht nach einer dreijährigen Unterbrechung wieder bei der Reichsbank. Hitler, der sich kaum für Wirtschaft interessierte, hatte zwei vordringliche Ziele – die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und das nötige Geld für die Wiederbewaffnung aufzubringen. Die Einzelheiten, wie diese Ziele zu erreichen waren, überließ er Schacht, der in diesen frühen Jahren fast die vollständige Kontrolle über die Wirtschaftspolitik ausübte. Zusätzlich zu seiner Funktion als Präsident der Reichsbank wurde er im August 1934 auch noch Wirtschaftsminister. Hitler räumte später ein, er halte Schacht für »einen Mann von ganz erstaunlichen Fähigkeiten … unübertroffen in der Kunst, seinen Willen durchzusetzen. Aber es war ja gerade seine vollendete Geschicklichkeit, andere Menschen zu betrügen, die ihn damals unentbehrlich machte.«
    Gleich nach seiner Amtsübernahme zeigte Schacht das erfinderische Talent, das ihn als den kreativsten Zentralbankier seines Zeitalters auszeichnete und warf sämtliche orthodoxen wirtschaftspolitischen Maßnahmen über Bord. Er startete ein großes öffentliches Arbeitsprogramm, finanziert durch Kredite von der Zentralbank und das Drucken von Geld. Es war ein bemerkenswertes Experiment auf dem Gebiet, das man später als Keynesianische Wirtschaftspolitik bezeichnen sollte, noch ehe Keynes seine Ideen vollständig entwickelt hatte. In den folgenden Jahren, als die deutsche Wirtschaft enorme Zufuhr an Kaufkraft erhielt, kam es zu einer bemerkenswerten Erholung. Die Arbeitslosigkeit ging von sechs Millionen Menschen Ende 1932 innerhalb von vier Jahren auf 1,5 Millionen zurück. Im selben Zeitraum verdoppelte sich die Industrieproduktion. Zudem handelte Schacht die Rahmenbedingungen der massiven Auslandsschulden Deutschlands neu aus, wobei er seine Gläubiger rücksichtslos gegeneinander ausspielte, vor allem die Briten und die Amerikaner.
    Die wirtschaftliche Erholung war nicht ganz das Wunder, als das sie die Nazipropaganda in der Öffentlichkeit darstellte. Obwohl es einige weithin sichtbare Errungenschaften gab – die Schaffung von Millionen Jobs, der Bau der berühmten Autobahnen –, blieb der Boom doch gebremst und einseitig. Ein großer Teil des Produktionswachstums erfolgte in Branchen, die mit Waffen zu tun hatten, zum Beispiel Automobile, Chemie, Stahl und Flugzeugbau, während alltägliche Konsumprodukte wie Kleidung, Schuhe oder Möbel stagnierten. Folglich gab es für den deutschen Normalbürger kaum eine Steigerung seines Lebensstandards. Er musste sich mit einer trüben Existenz auf Basis schäbiger Güter zufriedengeben, die aus Ersatzmaterialien hergestellt wurden – Zucker aus Sägemehl, Mehl mit Zusätzen aus Kartoffelabfällen, Treibstoff, der aus Holz gewonnen wurde, Margarine aus Kohle und Kleidung aus Chemiefasern.
    Während andere europäische Länder den Wert ihrer Währungen gegenüber dem Gold sinken ließen, weigerte sich Schacht, offiziell die Trennung vom Gold zu vollziehen und die Reichsmark abzuwerten. Motiviert wurde er dabei durch die Sorge um das Prestige Deutschlands und durch die Furcht vor Inflation. Deutsche Produkte waren zu teuer, die Weltmärkte und Deutschlands Exporte stagnierten. Um mit dem Druck umgehen zu können, der durch den aufgeblähten Wechselkurs der Reichsmark entstanden war, wurde ein ausgefeiltes System von Importkontrollen installiert, und der Außenhandel fand größtenteils auf Tauschbasis statt. Unter diesem »Schacht«-System wurde Deutschland von einer offenen, im Westen integrierten Volkswirtschaft zu einer geschlossenen, auf Autarkie ausgerichteten Wirtschaft, die mit Osteuropa und dem Balkan verbunden war – ein Vorläufer des ineffizienten sowjetischen Handelssystems der 1950er- und 1960er-Jahre.
    Daher war die Nazi-Wirtschaft hinter den schillernden Errungenschaften – den Autobahnen, Volkswagen, den Bombern von Junkers und den

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