Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
auszusehen wie die Mischung aus einem preußischen Reserveoffizier und einem jungen preußischen Richter, der den Offizier nachzuahmen versucht.« Seine auffälligen physischen Merkmale – der strenge Haarschnitt, das rigide Auftreten, die steife, aufrechte Körperhaltung, der ständig aggressiv-missmutige Gesichtsausdruck machten ihn, nachdem er berühmt geworden war, zu einem beliebten Objekt von Karikaturisten. 13 Aber noch mehr als durch sein Auftreten stieß er die Menschen durch seine Charakterzüge ab: seine extreme Eitelkeit, seine Neigung, über sich selbst und seine Leistungen zu sprechen, seine mangelnde Flexibilität und sein ätzender, zynischer Humor.
Er stellte ein verblüffendes Selbstvertrauen zur Schau. Das war nicht nur gespielt; es spiegelte seine innere Überzeugung, den anderen überlegen zu sein. In vielerlei Hinsicht war er ein übermäßig tüchtiger Mann aus der unteren Mittelschicht. Er war in Armut aufgewachsen, in einer Gesellschaft, in der Klassenzugehörigkeit und familiäre Herkunft immer noch extrem wichtige Faktoren waren. Er hatte auf die harte Weise lernen müssen, dass er sich in einer feindlichen Welt ausschließlich auf sich selbst verlassen konnte. Alles, was er erreicht hatte, verdankte er nur sich selbst – seiner eigenen, erstaunlichen Intelligenz und seiner eindrucksvollen Fähigkeit, hart zu arbeiten. »Nichts scheint ihm heilig zu sein außer seinem Glauben an sich selbst, und der ist so überwältigend, dass er nicht mehr persönlich zu sein scheint. Er macht diese egoistischsten Äußerungen, ohne dass dies dem Zuhörer wie Prahlerei vorkommt«, schrieb ein Beobachter. Und im Gegensatz zu manchen anderen aufsteigenden Männern, die ihren Zynismus hinter einem Schleier der Liebenswürdigkeit verbergen, zeigte er keinen besonderen Wunsch, gemocht zu werden. Viel später, als seine wahre Einstellung klar war, sollte ein Politiker schreiben: »Er war ein Mann im Abseits, einzigartig, isoliert, ohne Gefolgsleute oder einen Kreis von Anhängern. Er hatte keine Freunde, nur Feinde.« Aber niemand konnte seine Selbstdisziplin, seine Energie und seinen unermüdlichen Antrieb bezweifeln.
Das Problem der deutschen Reparationszahlungen – also die Frage, welchen Teil der Kriegskosten die Sieger, vor allem Großbritannien und Frankreich, von Deutschland verlangen konnten – sollte die Finanzszene Europas in den folgenden 20 Jahren verfolgen.
Der Krieg war vorbei, aber die Konflikte nicht. Bei den Friedensverhandlungen in Paris, die im Januar 1919 begannen, sorgte kein anderes Thema für »mehr Ärger, Streit, Zorn und Verzögerungen«, erinnerte sich Thomas Lamont, einer der amerikanischen Verhandlungsteilnehmer.
Jeder, der in Paris eintraf, erwartete, dass Frankreich, das die meisten Schäden erlitten und die meisten Toten zu beklagen hatte, sich am stärksten für empfindliche Reparationszahlungen Deutschlands aussprechen würde. Es stellte sich allerdings heraus, dass die Briten diese Rolle einnahmen. Eine starke liberale Gruppierung im britischen Finanzministerium hatte Friedenspläne auf Basis einer moderaten Einigung ausgearbeitet. Doch in den Monaten vor den Friedensverhandlungen startete die Presse, allen voran die Times und die Daily Mail , eine billige, chauvinistische Kampagne zugunsten einer harten Regelung, und im Dezember 1918, während des Wahlkampfs, traf der Slogan, man sollte »Deutschland bis zum Letzten ausquetschen« 14 den Nerv der britischen Wählerschaft.
Der britische Premierminister David Lloyd George gab der öffentlichen Meinung nach und berief drei der härtesten Vertreter einer für Deutschland schmerzhaften Regelung in die britische Delegation der Reparationskommission in Paris: William Hughes, den beharrlich aggressiven Premierminister Australiens, Lord Sumner, einen Lordrichter mit dem Ruf, ein »Herz aus Stein« zu haben und Lord Cunliffe, den rüpelhaften und aufbrausenden früheren Gouverneur der Bank of England.
Cunliffe galt als finanzielles Gehirn dieses Trios. Obwohl er ein erfolgreicher Bankier und sogar Gouverneur der Bank of England gewesen war, hatte er sich seine Unkenntnis der grundlegendsten Elemente der Ökonomie bewahrt. In den Wochen, bevor er nach Paris fuhr, empfahl er, Deutschland solle 100 Milliarden Dollar Reparationen bezahlen müssen. Das war eine erstaunliche Summe. Vor dem Krieg betrug das jährliche Bruttoinlandsprodukt Deutschlands etwa zwölf Milliarden Dollar. Dem Land eine Verschuldung aufzubürden, die dem
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