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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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anzuschließen, die nach Den Haag reiste, um mit der Kommission der Alliierten über die Lieferung von Gütern als Teil der zwischenzeitlichen Einigung zu verhandeln. Die deutsche Delegation war einer ganzen Litanei kleinkarierter Erniedrigungen ausgesetzt. Man brachte sie im schlechtesten Hotel unter, verabreichte ihr minderwertiges Essen, man schränkte ihre Bewegungsfreiheit ein und verfolgte sie unverhohlen. Und schließlich, als die Verhandlungen begannen, bot man ihnen keine Stühle an, sondern ließ sie stehen. Als Schacht sich darüber beschwerte, sagte man ihm: »Sie scheinen zu vergessen, dass Ihr Land den Krieg verloren hat.« Das war Schachts erste Erfahrung mit dem, was er später die »mittelalterliche Arroganz« der Sieger nennen sollte.
    Ironischerweise war es kein Deutscher, sondern ein Engländer, der die härteste Attacke gegen die Reparationszahlungen ritt. Im November 1919 veröffentlichte John Maynard Keynes, der junge Dozent aus Cambridge, Krieg und Frieden: Die wirtschaftlichen Folgen des Vertrags von Versailles . In seinem Buch argumentierte Keynes so: Um den Alliierten Geld bezahlen zu können, müsste Deutschland mehr Güter verkaufen als es kaufte, und seine Handelspartner müssten dazu bereit sein, diesen breiten Zustrom an Gütern aufzunehmen – mit möglicherweise schlimmen Folgen für ihre eigenen Industrien. Es lag daher im eigenen Interesse der Alliierten, ihre Forderungen zu senken. Keynes schrieb: »Wenn man Deutschland melken will, darf man es nicht ruinieren.« Er gelangte zu der Schlussfolgerung, Deutschland könne höchstens etwa sechs Milliarden Dollar zahlen, ohne eine massive Störung des Welthandels zu verursachen.
    Das Buch wurde sofort zum Bestseller. Schon in den ersten Monaten wurden weltweit mehr als 100 000 Exemplare verkauft. In den USA wurde es in New Republic , in Frankreich in La Nouvelle Revue Française veröffentlicht, es wurde in Französisch, Deutsch, Holländisch, Flämisch, Dänisch, Schwedisch, Italienisch, Spanisch, Rumänisch, Russisch, Japanisch und Chinesisch übersetzt. Schon im Alter von 36 Jahren hatte Keynes’ brillante Schreibweise ihm Ruhm gebracht; nicht nur in Großbritannien, sondern auf der ganzen Welt.
    Schon in jungen Jahren hatte man den Intellekt des jungen Maynard entdeckt, der seit seiner Kindheit sorgfältig gefördert wurde. 1883 wurde er in Cambridge, England, geboren und verbrachte den größten Teil seines Lebens in der Universität Cambridge und deren Umgebung. Sein Vater, John Neville Keynes, war Dozent, Philosoph und Logiker, von dem man schon früh viel erwartet hatte, der aber wenig Ehrgeiz zeigte und später in der Verwaltung der Universität tätig war. Maynard verbrachte vier Jahre in Eton. Dort war er einer jener »Golden Boys«, die sowohl für ihre außerordentlichen akademischen Leistungen als auch für ihre Beliebtheit bekannt waren. 1902 begann er im King’s College in Cambridge Mathematik zu studieren. Bald wurde er in die elitäre intellektuelle Gesellschaft mit dem Spitznamen »Die Apostel« aufgenommen, der bereits G. E. Moore, Bertrand Russell und Lytton Strachey angehörten. Er verbrachte seine Jahre in Cambridge in einer Treibhausatmosphäre aus hochtrabenden philosophischen Debatten und homoerotischen Verstrickungen mit den anderen Aposteln. Sogar Bertrand Russell, der selten vom Verstand anderer Leute beeindruckt war, schrieb einmal, dass Keynes’ Intellekt »der schärfste und klarste war, den ich je kennengelernt habe.«
    Nach seinem Abschluss 1904 versuchte Keynes kurz, der Universität zu entkommen, indem er dem India Office als »Angestellter« beitrat. In der Aufnahmeprüfung für den öffentlichen Dienst war er nur Zweiter geworden und daher nicht für das Finanzministerium ausgewählt worden, obwohl er, typisch für ihn, darauf bestand, der Grund sei gewesen, dass »ich eindeutig mehr über Ökonomie wusste als meine Prüfer.« Schon nach einem Jahr verließ er das India Office, obwohl die Arbeitszeiten nicht besonders belastend waren. Er arbeitete an Wochentagen von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr und an Samstagen bis 13.00 Uhr. Zudem hatte er acht Wochen plus den Derby Day Jahresurlaub – aber er war der Ansicht, er habe dort nicht genug zu tun. Zu seinen Aufgaben gehörten die Lieferung von zehn Ayrshire-Stieren nach Bombay und die Vorbereitung eines jährlichen Berichts an das Parlament zum Thema »Die moralischen und materiellen Fortschritte Indiens«. Er amüsierte sich über die viktorianische

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