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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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entkommen. Ich sah die Männer am Eingang der Festung an. «Rypere! Clapa!
     Ich will, dass ihr diese Männer aufhaltet!»
    Clapa und Rypere starrten mich an, als sei ich ein Geist, und das stimmte in gewisser Hinsicht wohl auch. Ich war froh, Clapa
     immer noch bei Guthred zu finden, denn Clapa war Däne, und das bedeutete, dass Guthred weiterhin dänische Getreue zu seinen
     Leuten zählte. «Clapa! Du Earsling!», brüllte ich. «Sei nicht zäh wie ein gekochtes Ei. Steig auf ein Pferd und kämpfe!»
    «Ja, Herr!»
    Ich ritt noch näher und sah auf Guthred hinunter. Hinter mir fand ein Kampf statt, und Guthreds Männer waren aus ihrer Erstarrung
     erwacht und eilten zur Schlacht, doch Guthred hatte keine Augen für den Gegner. Er starrte einfach nur zu mir herauf. Hinter
     ihm standen Priester, und an seiner Seite war Gisela, aber ich sah Guthred einfach nur in die Augen, und dort fand ich Angst.
     «Erinnert Ihr Euch noch an mich?», fragte ich kalt.
    Er wusste nicht, was er erwidern sollte.
    «Ihr würdet gut daran tun», sagte ich, «ein königliches Beispiel zu geben und jetzt ein paar Männer zu töten. Habt Ihr ein
     Pferd?»
    Immer noch unfähig zu sprechen, nickte er.
    «Dann steigt auf Euer Pferd», sagte ich knapp, «und kämpft.»
    |351| Guthred nickte erneut und trat einen Schritt zurück, doch obwohl sein Bediensteter mit einem Pferd zu ihm kam, stieg Guthred
     nicht auf. Dann sah ich endlich Gisela an, und sie sah mich an, und es schien mir so, als könnte man mit ihrem lodernden Blick
     ein Feuer entzünden. Ich wollte etwas sagen, aber nun war ich selbst unfähig zu sprechen. Ein Priester zupfte sie am Arm,
     als wolle er sie von dem Kampf wegbringen, aber ich ließ Schlangenhauchs blutige Klinge in seine Richtung zucken, und der
     Priester erstarrte. Dann sah ich wieder Gisela an, und es kam mir so vor, als könnte ich nicht mehr atmen und als würde die
     Welt still stehen. Ein leiser Windhauch spielte mit einer schwarzen Haarsträhne, die unter ihrer Haube hervorlugte. Sie schob
     die Strähne aus dem Gesicht, und dann lächelte sie. «Uhtred», sagte sie, als würde sie meinen Namen zum ersten Mal aussprechen.
    «Gisela», bekam ich heraus.
    «Ich wusste, dass du zurückkommen würdest», sagte sie.
    «Ich dachte, Ihr wolltet kämpfen gehen», knurrte ich Guthred an, worauf er wie ein geprügelter Hund losrannte.
    «Hast du ein Pferd?», fragte ich Gisela.
    «Nein.»
    «Du!», rief ich einem Jungen zu, der mich mit aufgerissenen Augen angaffte. «Hol mir das Pferd her!» Ich deutete auf den Hengst
     des Mannes, dessen Gesicht ich verletzt hatte. Dieser Mann war inzwischen tot, umgebracht von Guthreds Leuten.
    Der Junge brachte mir den Hengst, und Gisela stieg in den Sattel, wobei sie ihr Gewand sehr undamenhaft bis zu den Oberschenkeln
     raffte. Sie schob ihre schlammverschmutzten Schuhe in die Steigbügel, und dann streckte |352| sie ihre Hand aus und berührte meine Wange. «Du bist magerer geworden», sagte sie.
    «Du auch.»
    «Seit dem Moment, in dem du weggebracht wurdest», sagte sie, «war ich nicht mehr glücklich.» Einen Augenblick lang umfasste
     sie noch meine Wange, dann zog sie unvermittelt die Hand zurück, riss die Leinenhaube von ihrem Kopf und löste ihr schwarzes
     Haar, sodass es um ihre Schultern fiel wie bei einem unverheirateten Mädchen. «Ich bin nicht verheiratet», sagte sie, «jedenfalls
     nicht richtig verheiratet.»
    «Noch nicht», sagte ich, und mein Herz quoll über vor Freude. Ich konnte meine Augen nicht von ihr wenden. Ich war wieder
     bei ihr, und die Monate der Sklaverei fielen von mir ab, als hätte es sie nie gegeben.
    «Hast du schon genug Männer getötet?», fragte sie mutwillig.
    «Nein.»
    Also ritten wir zur Schlacht.
     
    Man kann nicht jeden Mann einer gegnerischen Streitmacht töten. Oder nur sehr selten. Immer, wenn die Dichter eine Schlacht
     besingen, beharren sie darauf, kein Gegner sei entkommen, außer der Dichter selbst ist Teil der Schlacht, der er allein entkommt.
     Das ist merkwürdig. Dichter überleben immer, während alle anderen sterben, aber was verstehen Dichter vom Kampf? Niemals bin
     ich im Schildwall einem Dichter begegnet. Und doch, vor Cetreht mussten wir schon mehr als fünfzig von Kjartans Männern getötet
     haben, als alles durcheinanderkam, weil Guthreds Leute Kjartans Männer und Ragnars Dänen nicht unterscheiden konnten, und
     deshalb entkamen einige unserer Gegner, während wir die Kämpfer auseinanderhielten.

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