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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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jämmerliches Gesicht. «Der Christenzauber hat für mich immer sehr gut gewirkt», sagte er.
    «Hat er nicht», sagte ich höhnisch. «Kjartan lebt noch, Ivarr lebt noch, und die Dänen planen den Aufstand gegen Euch. Vergesst
     Euren Christenzauber. Jetzt habt Ihr mich, und Ihr habt Graf Ragnar. Er ist der beste Mann in Eurem Königreich. Behandelt
     ihn gut.»
    «Und Euch», sagte er, «Euch werde ich auch gut behandeln. Ich verspreche es.»
    «Ich auch», sagte Gisela.
    «Ihr werdet nämlich mein Schwager», erklärte ich Guthred. Er nickte dazu und lächelte mich dann kläglich an. «Sie hat immer
     gesagt, dass Ihr zurückkommt.»
    «Und Ihr habt geglaubt, ich sei tot?»
    «Ich habe gehofft, dass Ihr es nicht wärt», sagte er. Dann stand er auf und lächelte. «Könnt Ihr mir glauben», fragte er,
     «wenn ich Euch sage, dass ich Euch vermisst habe?»
    «Ja, Herr», sagte ich, «weil ich Euch auch vermisst habe.»
    «Das habt Ihr?», fragte er hoffnungsvoll.
    «Ja, Herr», sagte ich, «das habe ich.» Und seltsam genug, das stimmte auch. Ich hatte geglaubt, ihn zu hassen, wenn wir uns
     erst wiedersähen, doch ich hatte sein freundliches Wesen vergessen. Ich mochte ihn immer noch. Wir umarmten uns. Guthred nahm
     seinen Helm und ging zur Tür, die aus einem Tuch bestand, das an Nägeln hing. «Ich |375| werde Euch heute Nacht mein Haus überlassen», sagte er lächelnd, «euch beiden.»
    Und das tat er.
     
    Gisela. Nun, wo ich alt bin, sehe ich manchmal ein Mädchen, das mich an Gisela erinnert, und dann wird mir die Kehle eng.
     Ich sehe ein Mädchen mit weit ausholenden Schritten, sehe das schwarze Haar, die schlanke Mitte, die Anmut ihrer Bewegungen
     und das trotzige Zurückwerfen ihres Kopfes. Und wenn ich solch ein Mädchen sehe, dann ist mir, als sähe ich Gisela wieder,
     und oft, denn ich bin im Alter ein gefühlsseliger Narr geworden, steigen mir auch noch Tränen in die Augen.
    «Ich habe schon eine Frau», erklärte ich ihr in dieser Nacht.
    «Bist du verheiratet?», fragte Gisela.
    «Sie heißt Mildrith», sagte ich, «und ich habe sie vor langem geheiratet, weil Alfred es befohlen hat. Sie hasst mich, also
     ist sie ins Kloster gegangen.»
    «Alle deine Frauen tun das», sagte Gisela. «Mildrith, Hild und ich.»
    «Das stimmt.» Diese Feststellung belustigte mich, mir selbst war das zuvor noch nicht aufgefallen.
    «Hild hat mir geraten, ins Kloster zu gehen, falls ich bedroht würde», erklärte Gisela.
    «Das hat Hild getan?»
    «Sie meinte, dort sei ich sicher. Und deshalb bin ich, als Kjartan sagte, er wolle mich mit seinem Sohn verheiraten, ins Kloster
     gegangen.»
    «Guthred hätte dich nie mit Sven verheiratet.»
    «Mein Bruder hat darüber nachgedacht», sagte sie. «Er brauchte Geld. Er brauchte Unterstützung, und ich war alles, was er
     anzubieten hatte.»
    |376| «Die Friedenskuh.»
    «Das bin ich», sagte sie.
    «Hat es dir im Kloster gefallen?»
    «Die ganze Zeit, in der du nicht da warst, war schrecklich. Wirst du Kjartan umbringen?»
    «Ja.»
    «Und wie?»
    «Ich weiß nicht. Vielleicht bringt ihn aber auch Ragnar um. Ragnar hat mehr Grund dazu als ich.»
    «Als ich die Heirat mit Sven abgelehnt habe», sagte Gisela, «hat Kjartan erklärt, er würde mich einfangen und mir von seinen
     Männern Gewalt antun lassen. Er hat gesagt, er würde mich festbinden, damit mich seine Männer benutzen können, und wenn sie
     damit fertig wären, würde er mich seinen Hunden überlassen. Hast du mit Mildrith Kinder?»
    «Eins», sagte ich, «einen Sohn. Er ist gestorben.»
    «Meine werden nicht sterben. Meine Söhne werden Krieger, und meine Tochter wird die Mutter von Kriegern.»
    Ich lächelte, und dann ließ ich meine Hand ihr langes Rückgrat hinabgleiten, sodass sie auf mir erschauerte. Wir lagen unter
     drei Umhängen, und ihr Haar war feucht, weil es durch das Strohdach tropfte. Die Bodenspreu unter mir war verrottet und nass,
     aber wir waren glücklich. «Bist du in dem Kloster zur Christin geworden?», fragte ich sie.
    «Natürlich nicht», sagte sie verächtlich.
    «Hat es sie nicht gestört?»
    «Ich habe ihnen Silber gegeben.»
    «Dann hat es sie nicht gestört.»
    «Ich glaube nicht, dass irgendein Däne ein echter Christ ist», erklärte sie.
    «Nicht einmal dein Bruder?»
    |377| «Wir haben viele Götter», sagte sie, «und der Christengott ist einfach noch einer mehr. Ich bin sicher, so denkt Guthred darüber.
     Wie heißt noch der Gott der Christen? Eine Nonne hat es mir

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