Die Herren des Nordens
vor
dieser Drohung, und es war Ragnar, der dem Unsinn ein Ende bereitete. «Versteckt den Heiligen», schlug er vor. Er musste es
dreimal wiederholen, bevor ihn überhaupt jemand hörte.
«Verstecken?», fragte Abt Eadred.
«Wo?», fragte Hrothweard höhnisch.
«Es gibt doch einen Friedhof hier», sagte Ragnar. «Beerdigt ihn. Wer würde jemals auf dem Friedhof nach einem Leichnam suchen?»
Die Geistlichen starrten ihn nur an, und Abt Eadred öffnete den Mund, um zu widersprechen. Doch der Vorschlag war so einleuchtend,
dass er nichts sagte. «Begrabt ihn», fuhr Ragnar fort, «dann geht nach Westen in die Hügel und wartet, bis wir zurück sind.»
Hrothweard versuchte, die Ausführung des Plans zu verhindern, aber Guthred unterstützte Ragnar. Er benannte zehn Krieger,
die zum Schutz bei den Priestern bleiben sollten, und am Morgen, als wir losritten, hoben diese Männer ein vorläufiges Grab
auf dem Friedhof aus, in dem der Leichnam des Heiligen und die anderen Reliquien versteckt wurden. Die Männer von Bebbanburg
blieben ebenfalls in Cetreht. Ich war derjenige, der darauf bestanden hatte. Aidan wollte mit uns reiten, aber ich vertraute |381| ihm nicht. Er konnte meinen Tod allzu leicht herbeiführen, indem er vorausritt und Kjartan verriet, dass wir auf dem Weg waren.
Also nahmen wir ihm alle seine Pferde ab, sodass Aidan und seine Leute bei den Kirchenmännern bleiben mussten. Osburh, Guthreds
schwangere Königin, blieb ebenfalls zurück. Abt Eadred betrachtete sie als Unterpfand für Guthreds Rückkehr, aber obwohl Guthred
viel Aufhebens um das Mädchen machte, spürte ich doch, dass es ihn kaum berührte, ohne sie wegzureiten. Osburh war eine ängstliche
Frau und neigte ebenso leicht zu Tränen wie Mildrith, und genau wie Mildrith verehrte sie jeden Priester. Hrothweard war ihr
Beichtvater, und ich vermute, dass sie Guthred im Bett die Botschaften dieses wilden Mannes vorbetete. Guthred versicherte
ihr, dass keine umherstreifenden Dänen in die Nähe von Cetreht kommen würden, wenn wir weg wären, aber da konnte er nicht
so sicher sein. Es bestand immer die Möglichkeit, dass wir bei unserer Rückkehr alle abgeschlachtet finden oder von ihrer
Gefangennahme erfahren würden. Doch wenn wir uns irgendeine Hoffnung auf die Eroberung Dunholms machen wollten, mussten wir
schnell handeln.
Konnten wir uns diese Hoffnung überhaupt machen? In Dunholm konnte man in völliger Sicherheit seine Gegner abwehren und darüber
in Ruhe alt werden. Und wir hatten weniger als zweihundert Männer und etwa zwanzig Frauen, die darauf bestanden hatten, uns
zu begleiten. Gisela war eine von ihnen, und sie trug, ebenso wie die anderen Frauen, Hosen und ein Lederwams. Auch Pater
Beocca war bei uns. Ich hatte ihm erklärt, dass er nicht schnell genug reiten könne und dass wir ihn, falls er zurückfiele,
im Stich lassen würden, aber er wollte nichts davon hören, in Cetreht zu bleiben. «Als Gesandter», verkündete er großspurig,
«ist mein Platz an Guthreds Seite.»
|382| «Euer Platz ist bei den anderen Priestern», sagte ich.
«Ich komme mit», sagte er dickköpfig und konnte nicht vom Gegenteil überzeugt werden. Er ließ sich von uns die Beine an den
Sattelgurt binden, sodass er nicht vom Pferd fallen konnte, und ertrug auch die schnellste Gangart. Wie muss er sich gequält
haben, doch er beschwerte sich nicht. Ich glaube, er wollte die Erregung des Kampfes spüren. Mochte er auch ein schielender
Krüppel, ein klumpfüßiger Priester, ein tintenbekleckster Schreiberling und ein spitzfindiger Gelehrter sein, Beocca besaß
das Herz eines Kriegers.
Wir verließen Cetreht in der Dämmerung eines trübseligen, regnerischen Morgens im Spätherbst. Kjartans Reiter, die uns entkommen
waren und Cetreht wieder vom Nordufer des Flusses aus beobachteten, folgten uns in geringer Entfernung. Sie waren noch achtzehn
Leute, und wir ließen es zu, dass sie uns folgten, und um sie zu täuschen, blieben wir nicht auf der Römerstraße, die geradewegs
durch flacheres Land nach Dunholm führte, sondern wandten uns nach einigen Meilen Richtung Westen und nahmen einen Pfad in
die sanft geschwungenen Hügel. Die Sonne brach noch vor Mittag durch die Wolken, doch sie stand niedrig am Himmel, und die
Schatten blieben lang. Rotdrosseln schwärmten, und Falken zogen ihre Bahnen unter den Wolken. Um diese Zeit des Jahres wurde
das Vieh zur Schlachtung ausgewählt. Rinder wurden erschlagen
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