Die Herren des Nordens
Kjartans getötet zu haben. «Was wir nun tun müssen, Herr König», wandte
sich Eadred an Guthred, «ist, den Heiligen nach Norden zu bringen. Nach Bebbanburg.»
«Zuerst müssen wir den Mörder bestrafen!», fuhr Hrothweard dazwischen.
«Nichts ist für unser Land von größerem Wert als der Körper des Heiligen Cuthbert», sagte Eadred, ohne auf Hrothweards Wüten
einzugehen, «und wir müssen ihn an einen sicheren Ort bringen. Wir sollten morgen schon losreiten, nach Norden, und in Bebbanburg
Zuflucht nehmen.»
Aidan, Ælfrics Verwalter, bat um die Erlaubnis zu sprechen. Er war trotz mancher Gefahren in Treu und Glauben in den Süden
gekommen, so sagte er, doch ich hätte ihn beleidigt und seinen Herrn und den Frieden Northumbriens, doch er würde all diese
Beleidigungen vergessen, wenn Guthred sich entschlösse, Sankt Cuthbert und Gisela nach Bebbanburg zu bringen. «In Bebbanburg
allein», sagte Aidan, «ist der Heilige sicher.»
«Er muss sterben», beharrte Hrothweard und streckte mir sein Holzkreuz entgegen.
Guthred war beunruhigt. «Wenn wir nach Norden reiten», sagte er, «wird sich uns Kjartan entgegenstellen.»
Eadred war auf diesen Einwand vorbereitet. «Wenn Graf Ragnar mit uns zieht, Herr, dann werden wir auch das überstehen. Die
Kirche wird Graf Ragnar für diesen Dienst entlohnen.»
|367| «Es wird für keinen von uns Sicherheit geben», schrie Hrothweard, «wenn einem Mörder erlaubt wird, weiterzuleben.» Er fuchtelte
erneut mit seinem Holzkreuz in meine Richtung. «Er ist ein Mörder! Ein Mörder! Bruder Jænberht ist ein Märtyrer!» Die Mönche
und Priester riefen zustimmende Worte, und Guthred konnte ihr Gezeter nur zum Verstummen bringen, indem er ihnen ins Gedächtnis
rief, dass Pater Beocca als Gesandter gekommen war. Er verlangte Ruhe, und dann bat er Beocca darum, zu sprechen.
Der arme Beocca. Tagelang hatte er geübt, an den Worten gefeilt, sie laut aufgesagt, eine Formulierung geändert und doch wieder
die ursprüngliche gewählt. Er hatte Ratschläge erbeten, die Ratschläge abgelehnt und seine Rede unendliche Male deklamiert,
und nun überbrachte er Alfreds formelle Grüße, und ich bezweifle, dass Guthred auch nur ein Wort davon aufnahm, denn er sah
immerzu nur Gisela und mich an, während Hrothweard nicht aufhörte, ihm Gift ins Ohr zu träufeln. Doch Beocca leierte unbeeindruckt
sein Sprüchlein herunter, pries Guthred und Königin Osburh, verkündete, dass sie die Flamme Gottes in den Norden trügen, und
auf diese Art langweilte er jeden, der ihm überhaupt zuhörte. Einige von Guthreds Kriegern ahmten seine Sprechweise nach,
zogen Grimassen oder schielten, bis Steapa, der genug von diesen Grausamkeiten hatte, neben Beocca trat und die Hand auf den
Griff seines Schwertes legte. Steapa besaß ein freundliches Wesen, doch er sah aus, als sei er von unerbittlicher Grausamkeit.
Zunächst einmal war er hünenhaft groß, und dazu schien seine Haut zu straff über seinen Schädel gezogen worden zu sein, sodass
seine Miene lediglich reinen Hass und wölfische Gier auszudrücken vermochte. Er ließ seinen stechenden Blick durch den Raum
wandern und warnte damit |368| alle davor, Beocca herabzuwürdigen. Diese Einschüchterung sorgte schnell für Ruhe.
Beocca glaubte natürlich, er habe mit seiner Sprachgewandtheit für Aufmerksamkeit und Stille gesorgt. Er beendete seine Rede
mit einer tiefen Verbeugung vor Guthred und überreichte ihm dann die Geschenke Alfreds. Als Erstes kam ein Buch, von dem Alfred
behauptete, er habe es vom Lateinischen ins Englische übertragen, und vielleicht hatte er das wirklich getan. Es war voller
christlicher Predigten, sagte Beocca, und er verneigte sich erneut, als er den schweren Band mit dem juwelengeschmückten Einband
übergab. Guthred drehte und wendete das Buch, fand endlich heraus, wie die Deckelschließe zu öffnen war, betrachtete dann
eine Seite falsch herum und erklärte, dies sei das wertvollste Geschenk, das er jemals erhalten habe. Dasselbe sagte er von
dem zweiten Geschenk, einem Schwert. Es hatte eine fränkische Klinge, das Heft bestand aus Silber und Gold und der Knauf aus
einem dicken Brocken klaren Kristallsteins. Das letzte Geschenk war zweifellos das kostbarste, denn es war ein Reliquiar aus
dem feinsten Gold, das mit glänzenden Granatsteinen besetzt war. Darinnen lagen einige Barthaare des Heiligen Augustinus von
Contwaraburg. Sogar Abt Eadred, der Wächter des
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