Die Herren des Nordens
«Das Tor!», rief ich Thyra zu. «Thyra! Schick sie zum
Tor!» Sie machte ein bellendes Geräusch, schrill und kurz, und die Hunde folgten ihr und hetzten auf das Torhaus zu. Ich habe
andere Jäger ihren Hunden so geschickt Befehle geben sehen wie ein Reiter, der seinen Hengst mit Schenkeln und Zügeln führt.
Ich selbst habe diese Fähigkeit nie erlernt, doch Thyra besaß sie.
Kjartans Männer am Tor starben einen qualvollen Tod. Die Hunde stürzten sich mit gefletschten Zähnen auf sie, und die Schreie
der Männer klangen in unseren Ohren. Ich hatte bisher weder Kjartan noch Sven gesehen, doch ich hatte auch nicht nach ihnen
Ausschau gehalten. Ich wollte nur zu dem großen Tor gelangen und es für Ragnar öffnen. Also folgten wir den Hunden, doch da
setzte bei einem der Reiter wieder die Vernunft ein, und er rief den verängstigten Männern zu, sie sollten uns von hinten
einkreisen. Der Reiter war ein großer Mann, sein Kettenhemd wurde halb durch einen schmutzigen, weißen Umhang verdeckt. In
seinem Helm waren goldbronzen gerahmte Auslassungen |424| für die Augen, sodass sein Gesicht nicht zu sehen war, aber ich war sicher, dass ich Kjartan vor mir hatte. Er trieb seinen
Hengst an, und zwanzig Männer folgten ihm. Doch da jaulte Thyra eine kurze, abfallende Tonfolge, und zwei Dutzend der Hunde
stellten sich den Reitern in den Weg. Einer von ihnen versuchte den Hunden in seiner Verzweiflung durch eine zu schnelle Wendung
seines Pferdes zu entkommen, und das Tier stürzte. Mit den Hufen den Morast aufwühlend, versuchte es wieder auf die Beine
zu kommen, als sich schon ein halbes Dutzend Hunde auf seinen Bauch stürzte. Andere Hunde setzten über das Pferd hinweg, um
den Reiter zu zerfleischen, der aus dem Sattel gefallen war. Ich hörte den Mann brüllen und sah einen Hund wegtaumeln, dem
ein stampfender Huf das Bein gebrochen hatte. Das Pferd schrie. Ich rannte unter dem strömenden Regen weiter und sah einen
Speer aufblitzen, der vom Wall heruntergeschleudert worden war. Die Männer auf dem Dach des Torhauses versuchten uns mit ihren
Speeren aufzuhalten. Sie schleuderten sie auf die Hundemeute, die weiter die restlichen Männer des aufgelösten Schildwalls
in Stücke riss, doch es waren zu viele Hunde. Wir waren mittlerweile nahe am Tor, nur noch zwanzig Schritte trennten uns von
ihm. Thyra und ihre Hunde hatten uns sicher über die Kuppe von Dunholm gebracht, und unsere Gegner befanden sich in vollkommener
Verwirrung. Doch dann stieg der Mann mit dem weißen Umhang, dessen dichter Bart unter dem Rand seines Helmes zu erkennen war,
vom Pferd und befahl seinen Männern, die Hunde abzuschlachten.
Sie formten einen Schildwall und griffen an. Sie hielten ihre Schilde niedrig, um die Hunde abzuwehren, und setzten Speere
und Schwerter ein, um sie zu töten. «Steapa!», rief ich, und er verstand, was ich wollte, und gab den anderen |425| Männern den Befehl, ihm zu folgen. Er und Clapa waren als Erste zwischen den Hunden, und ich sah Steapas Axt auf ein behelmtes
Gesicht niederfahren, als Thyra die Hunde zum Angriff auf den neuen Schildwall rief. Männer kletterten vom Festungswall herunter,
um sich in die wilde Schlacht zu stürzen, und ich wusste, dass wir schnell sein mussten, sonst hätten Kjartans Leute die Hunde
abgeschlachtet, und als Nächstes würden sie uns abschlachten. Ich sah einen der Hunde hochspringen und sich in das Gesicht
eines Mannes verbeißen, und der Mann schrie, und der Hund jaulte mit einem Schwert im Bauch, und Thyra kreischte auf die Hunde
ein, und Steapa hielt gegen die Mitte des feindlichen Schildwalls, doch der wurde immer länger, je mehr gegnerische Krieger
dazustießen, und in ein paar Momenten würden sich die Flügel dieses Schildwalls um meine Männer und um die Hunde schließen,
und alle würden niedergemacht werden. Also rannte ich zum Bogengang des Torhauses. Am Tor selbst wurde der Bogengang nicht
verteidigt, doch auf dem Wall standen immer noch Krieger mit Speeren. Alles, was ich einsetzen konnte, war der Schild eines
Toten, und ich betete, dass sich der Tote einen guten Schild hatte bauen lassen. Ich hob ihn über meinen Helm, steckte Schlangenhauch
in die Scheide und rannte los.
Die schweren Speere fuhren auf mich herab. Sie krachten auf den Schild und landeten spritzend im Schlamm, und mindestens zwei
bohrten sich durch die Lindenholzbretter. Dann erschütterte ein Schlag meinen linken Unterarm, und der
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