Die Herren des Nordens
Schild wurde durch
das Gewicht der Speere schwerer und schwerer, doch dann war ich unter dem Torbogen und in Sicherheit. Die Hunde jaulten und
kämpften. Steapa forderte die Gegner brüllend zum Kampf heraus, doch keiner wollte es darauf ankommen lassen. Ich |426| sah, dass sich die Flügel von Kjartans Schildwall langsam schlossen, und ich wusste, dass wir alle sterben würden, wenn es
mir nicht gelänge, das Tor zu öffnen. Ich würde beide Hände brauchen, um den riesigen Querbalken anzuheben, der das Tor verschloss,
doch einer der Speere hatte an meinem linken Unterarm den Ärmel des Kettenhemdes durchdrungen, und es gelang mir nicht, ihn
herauszuziehen. Also musste ich zuerst mit Wespenstachel die ledernen Halterungen des Schildes durchschneiden. Danach konnte
ich die Speerspitze aus dem Ärmel des Kettenhemdes und meinem Arm reißen. Der Ärmel war mit Blut verschmiert, doch der Arm
war nicht gebrochen, und so hievte ich den gewaltigen Schließbalken hoch und zerrte ihn von den Torflügeln weg.
Dann zog ich die Flügel des Tores nach innen auf, und Ragnar und seine Leute standen in fünfzig Schritten Entfernung davor,
und sie jubelten, als sie mich sahen, und rannten los, während sie sich mit erhobenen Schilden vor den Speeren und Äxten schützten,
die vom Wall herabgeschleudert wurden. Sofort verlängerten sie unsere Reihe zu einem Schildwall und gingen mit all ihren Waffen
und all ihrem Ingrimm auf Kjartans überraschte Männer los.
Und so wurde Dunholm, die Felsenfestung in der Flussschleife, genommen. Jahre später schmeichelte mir ein hoher Herr aus Mercien
damit, dass sein Skalde ein Lied darüber sang, wie Uhtred von Bebbanburg die Felsenfestung allein erstiegen hatte, sich seinen
Weg durch zweihundert Gegner kämpfte, um schließlich das große Tor zu öffnen, das von einem Drachen bewacht wurde. Es war
ein schönes Lied, voller Schwertkunst und Tapferkeit, aber es war blanker Unsinn. Wir waren zwölf, und nicht nur einer, und
die Hunde übernahmen den größten Teil des Kampfes, und Steapa erledigte fast den gesamten übrigen Teil, und wenn |427| Thyra nicht aus dem Palas gekommen wäre, dann würden vielleicht heute noch Kjartans Nachfahren in Dunholm regieren. Auch war
der Kampf nicht vorbei, nachdem das Tor geöffnet war, denn wir waren immer noch in der Unterzahl, aber wir hatten die übrigen
Hunde und nicht Kjartan, und Ragnar brachte seinen Schildwall in die Festung, und dort kämpften wir gegen die Verteidiger.
Es war ein Kampf Schildwall gegen Schildwall. Es war der Kampf im Schildwall mit all seinen Schrecken. Es war das Donnern
der Schilde, die gegeneinanderkrachten, und es war das Keuchen der Männer, die mit Kurzschwertern aufeinander einstachen oder
mit einer Drehung ihre Schwerter in die Bäuche der Gegner stießen. Es war Blut und Kot und Gedärm, das sich im Schlamm ringelte.
Im Schildwall sterben Männer, und dort verdienen sie sich die Ruhmesgesänge der Skalden. Ich reihte mich in Ragnars Wall ein,
und Steapa, der sich den Schild eines Reiters genommen hatte, der von den Hunden zerrissen worden war, schob seinen massigen
Körper neben mich und hob seine Kriegsaxt. Beim Vorrücken stiegen wir über tote und sterbende Hunde hinweg. Der Schild wird
zur Waffe, sein großer Eisenbuckel zur Keule, um Gegner abzuwehren. Und wenn der Feind stolpert, dann tut man noch einen Schritt
näher an ihn heran und stößt mit der Klinge vor, und dann steigt man über den Verwundeten und lässt ihn von den Nachrückenden
töten. Es dauert selten lange, bis einer der Schildwälle zusammenbricht, und in diesem Kampf löste sich Kjartans Wall als
Erster auf. Er hatte versucht, uns mit den Flügeln seines Schildwalls einzuschließen, und seine Männer an die Außenflanken
seiner Linie geschickt, doch die überlebenden Hunde bewachten unsere Seiten, und Steapa schwang seine Axt wie einen Dreschflegel,
und er war so riesig und so stark, dass er auf diese Art die feindliche |428| Linie aufbrach und es ganz einfach aussah. «Wessex!», rief er immer wieder, «Wessex!», als würde er für Alfred kämpfen, und
ich stand an seiner rechten und Ragnar an seiner linken Seite, und der Regen peitschte auf uns herab, als wir uns mit Steapa
durch Kjartans Schildwall kämpften. Wir kamen ohne Schwierigkeiten hindurch, sodass schließlich kein Feind mehr vor uns stand,
und dann löste sich Kjartans Schildwall ganz auf, und seine Männer rannten zurück zu
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